Interview zu Romneys Wahlkampf Mit Härte punkten
US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney steht wegen seiner Rede auf einer Spendengala erheblich unter Beschuss. Der Politikberater Peter Radunski meint aber im Interview mit tagesschau.de, dass in diesem Fehler auch eine Chance liegt. Romney müsse sein negatives Image ins Positive drehen und sich als Macher darstellen.
tagesschau.de: Wenn ein Präsidentschaftskandidat hinter verschlossenen Türen rund die Hälfte der potenziellen Wähler abschreibt und das kommt dann raus - wie groß ist dann die Verzweiflung seiner Berater?
Peter Radunski: Die Verzweiflung im Romney-Lager wird groß sein - wegen der Aussage Romneys und weil er mit versteckter Kamera überrascht und gefilmt wurde. Dabei ist das ein uralter Trick in Amerika.
tagesschau.de: Ist die indirekte Botschaft so einer Aussage nicht: Für mich ist das Rennen wahrscheinlich gelaufen?
Radunski: Das glaube ich nicht. Das passt in das Raster des "gegenteiligen Wahlkampfs", also der scharfen Abgrenzung vom Gegner. Romney führt ja keinen sozialen Wahlkampf. Er zielt auf die Amerikaner ab, die Geld verdienen. Umgekehrt versucht Obama, die zu verteidigen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Es geht auch um die Konzepte Privat oder Staat in diesem Wahlkampf. Hier wird fast schon eine Art Klassenkampf ausgetragen.
Insofern muss Romney jetzt nicht die Wahl verloren geben. Ähnliche Vorwürfe sind ja schon vorher erhoben worden. Obama hat ihn für den Tod einer Frau wegen seiner hartherzigen Wirtschaftspolitik verantwortlich gemacht. Das hat sich dann als falsch erwiesen. Romney ist also nicht erledigt, aber er hat einen formidablen Fehlstart in die Schlussphase des Wahlkampfs hingelegt, der schwer zu korrigieren sein wird.
tagesschau.de: Ihrer Erfahrung nach: Sind derartige Auftritte, in denen der Kandidat frei vor Spendern redet, vorher durchgesprochen worden?
Radunski: Solche Auftritte werden in der Regel vorher nicht durchgesprochen. Es gibt immer wieder Politiker, die ich davor warne, innen anders als draußen zu sprechen. Für einen Spitzenpolitiker, zumal einen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten, gibt es keine Privatsphäre. Übertrieben ausgedrückt sollte er sogar seine eigenen Gedanken nur so fassen, dass er sie allen Wählern mitteilen kann. Wenn man eine öffentliche Person ist, muss man sich auch so verhalten. Obama kann jetzt sagen, Romney wolle nur der Präsident eines Drittels der Wähler sein.
tagesschau.de: Wenn ein Kandidat wie Romney offenbar in der freien Rede dazu neigt, ein Eigentor zu schießen, wie gewöhnt man ihm das ab?
Radunski: Das kann man trainieren. Der beste Schutz ist aber, wenn der Kandidat über einen gesunden Menschenverstand und über ein Herz verfügt. Alles können die Berater nicht beeinflussen. Man braucht Vernunft, dann kann ich auch als Berater gute Vorschläge machen. Interessanterweise baut Romney nach kurzer Verlegenheit seinen Fehler nun in seinen Wahlkampf ein. Er bekräftigt jetzt, dass es sein politisches Ziel ist, dass die Amerikaner mehr Geld verdienen, um mehr Steuern zahlen zu können. Der Wahlkampf geht also weiter.
tagesschau.de: Der Wahlkampf wird auch in den USA in der Mitte geführt und nicht an den Rändern gewonnen. Hat Romney durch seinen Auftritt in der Mitte verloren?
Radunski: Mit Sicherheit. Er hat ja ohnehin ein Problem in der Mitte - vor allen bei den Wählern, die sozialer denken. Das sind vor allem Frauen, und weil er kein Mitgefühl gezeigt hat, dürfte sich das noch verstärkt haben. Und die drei großen TV-Debatten der Kandidaten kommen ja noch. Da dürfte dann kräftig auf dieser Aussage herumgeritten werden. Aber auch Obama kann sich durchaus noch eine Blöße geben.
tagesschau.de: Romney gilt als hölzern, auch wird ihm soziale Kälte attestiert. Wie ändert man das Image eines solchen Kandidaten?
Radunski: Das wird wohl nicht zu schaffen sein. Er darf auch keine große Imagekorrektur mehr riskieren. Ich würde ihm raten, sein Image positiv zu deuten: So harte Menschen wie mich braucht man, um Amerikas Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Wer nur an die soziale Seite der Politik denkt, wie Obama, der schafft auch keine Arbeitsplätze. Und wenn Romney dann noch Glück hat, bleiben die Wirtschaftsdaten schlecht. Man kann nach einem solchen Fehler den Wahlkampf einstellen, man kann sich entschuldigen - was aber so kurz vor der Wahl schlecht wäre, oder man versucht, das Beste daraus zu machen. Sie kriegen diese Sache nicht mehr aus der Welt, dazu hat sie sich zu sehr verbreitet - selbst hierzulande wird sie kommentiert.
tagesschau.de: Ist ein Kandidat, der eine erfolgreiche Karriere als Geschäftsmann, Sportmanager und Gouverneur hinter sich hat, überhaupt noch in der Lage, seinen Stil grundlegend zu ändern?
Radunski: Das ist die Lebenslüge der Beratung, dass die Kandidaten völlig formbar sind. Die Amerikaner sagen zum Glück: In einem so langen Wahlkampf erkennen wir wenigstens den Charakter und die Tugenden der Kandidaten. Und das ist auch jetzt wieder so.
tagesschau.de: Die Schwächen Romneys beherrschen derzeit die Schlagzeilen - welche Schwächen erkennen Sie im Auftreten von Präsident Obama?
Radunski: Wer ein leidenschaftlicher Anhänger von Obama war, muss heute riesig enttäuscht sein und feststellen: Obama macht es so, wie es gerade kommt. Den Obama, der jetzt um seine Wiederwahl kämpft, kennen wir in Deutschland gar nicht. Und ob die, die von ihm enttäuscht sind, wieder wählen gehen werden, ist fraglich. Das wird ein echtes Problem für Obama bleiben.
Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de