Internationale Beziehungen Wie Moskau neue Verbündete sucht
Russland gilt international als weitgehend isoliert. Doch mit einigen Wirtschaftsnationen pflegt der Kreml weiterhin Bündnisse - und versucht, mit ihnen einen Gegenpol zum Westen aufzubauen.
In seiner Rede vor der Duma Mitte Februar klang Russlands Außenminister Sergej Lawrow fast schon triumphierend, als er sich zu den internationalen Beziehungen seines Landes äußerte: "Versuche, Russland zu isolieren sind gescheitert und unsere Feinde müssen es zugeben."
Kurz zuvor war Russlands Chefdiplomat von einer ausgedehnten Afrika-Reise durch zahlreiche Länder zurückgekehrt. Lawrow hatte dort um eine Intensivierung der Partnerschaft mit Russland geworben. Nicht nur bei seinem Besuch in Eritrea stellte Lawrow die Vorherrschaft des Westens auf dem afrikanischen Kontinent infrage. "Die Bildung einer multipolaren Welt ist ein objektiver Prozess, der nicht zu stoppen ist", sagte Lawrow. Der kollektive Westen, die USA und die nach Lawrows Auffassung komplett unter ihrer Kontrolle stehende NATO würden versuchen, diesen Prozess umzukehren - allerdings vergeblich.
Unermüdlich hatte Lawrow den afrikanischen Staaten nahe gelegt, sich von den ehemaligen Kolonialherren zu emanzipieren. Die "Verbrechen der Kolonialmächte" hätten keine Verjährungsfrist und entzögen "westlichen Eliten das Recht, einen Anspruch auf eine moralische Führungsrolle zu stellen", so Lawrow. Auch, weil ihre "kolonialen Instinkte" immer noch vorhanden seien.
Russland als Alternative zu ehemaligen Kolonialmächten
Russland versuche, sich als alternativen Pol zum Westen darzustellen und Großmachtansprüche zu unterstreichen. So bewertet Günther Maihold, stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, das russische Werben um afrikanische Staaten.
Dies sei nicht zuletzt auch ein Signal an die eigene Bevölkerung, dass Russland international nicht isoliert sei. "Allerdings haben ja auch viele der afrikanischen Staaten deutlich gemacht, dass sie den Bruch des Völkerrechts verurteilen und hier keinen Freifahrtschein für Russland geben", so Maihold.
Große Pläne für BRICS-Staaten
Im besonderen Fokus Russlands sind dabei die BRICS-Staaten, also die Gruppe der aufstrebenden Wirtschaftsnationen, zu denen neben Russland auch China, Indien, Brasilien und Südafrika gehören. Zwar haben die BRICS-Staaten Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht gutgeheißen, sich aber auch nicht an den Sanktionen des Westens beteiligt.
Moskau und Peking würden die Gruppe der BRICS-Staaten gerne erweitern, beispielsweise um Länder wie den Iran, Argentinien oder Algerien. Vor seinem Besuch dort sagte Lawrow in einem Interview mit RT Arabia, man müsse ein Format finden, das die Interessen der beitrittswilligen Länder abbilde, "indem sie sich in der Zusammenarbeit mit BRICS für die Durchsetzung der Prinzipien von Gerechtigkeit und Demokratie in internationalen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen einsetzen."
BRICS-Länder in politischer Zwickmühle
Das Monopol der USA als weltweite Führungsnation sei gebrochen, frohlockte Lawrow. Doch ein Teil der BRICS-Staaten ist von den Erweiterungsplänen des Clubs gar nicht so begeistert. Indien, Brasilien und Südafrika befürchten ihren Status zu verwässern. Die antiwestliche Ausrichtung der BRICS-Gruppe wie sie von Moskau und Peking voran getrieben wird, brächte die drei Länder laut Maihold in eine Zwickmühle.
Die BRICS-Staaten würden eine klare Artikulation auch mit westlichen Staaten bewahren wollen. "Und das macht eine innere Spannung auf, die insbesondere für Indien, Brasilien und Südafrika ganz schwierig ist und sie zu einer gewissen Position des Durchlavierens verpflichtet", meint Maihold.
Ein Lavieren mit ernüchternden, mitunter besorgniserregenden Signalen an den Westen. Zusammen mit Russland und China hält Südafrika derzeit ein gemeinsames Marinemanöver vor der afrikanischen Küste ab. Bundeskanzler Olaf Scholz holte sich bei seinem Antrittsbesuch beim frisch gewählten brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula eine klare Absage, als er um Waffenlieferungen für die Ukraine warb.
Stattdessen brachte Lula sein Land als Vermittler ins Spiel - zusammen mit China könne man eine Art Friedensclub gründen. Peking will in Kürze eine Friedensinitiative vorstellen.
Russlands Freunde bleiben vorsichtig
Bleibt noch Indien, das traditionell in den Bereichen, Energie, Wirtschaft und Militär eine enge Partnerschaft zu Russland betreibt. Russlands Präsident Wladimir Putin lobte die Beziehungen zu Indien beim internationalen Waldaj-Diskussionsforum im vergangenen Jahr in höchsten Tönen: "Mit Indien hatten wir nie und zwar kein einziges Mal komplizierte Fragen. Wir haben uns immer gegenseitig unterstützt und ich bin sicher, so geht es auch in der Zukunft weiter."
Auch wenn Indien im vergangenen Jahr ein wichtiger Abnehmer russischen Öls war, verweist Maihold darauf, dass man sich dort keineswegs in einem Bündnis mit Russland sehe. Indien hätte zwar intensive und auch militärische Beziehungen zu Russland, sei auf der anderen Seite aber auch daran interessiert, nicht zwischen die Fronten zu geraten und eine unabhängige Position zu bewahren.
Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sucht Moskau nach neuen strategischen Partnern. Viele von ihnen sitzen zwischen den Stühlen. Auch wenn der Kreml nicht gänzlich isoliert ist - einen breit aufgestellten Gegenpol zum Westen gibt es derzeit noch nicht.