Vergabe des Sacharow-Preises Die ehren, die für andere kämpfen
Der Sacharow-Preis geht an Menschen, die sich für Grundfreiheiten und -rechte einsetzen. In diesem Jahr sind die Anwärter zwei Stimmen des Protests und Helfer auf offener See.
Es klopft und hämmert, erschrocken wird ein Laptop zugeklappt, im Lichtkegel einer aufgebrochenen Tür tauchen zwei schwerbewaffnete Gestalten auf. Dann fällt ein Schuss. Alles wirkt bedrohlich an diesem Trickfilm, mit dem das Europaparlament im Internet auf den Sacharow-Preis aufmerksam macht - den europäischen Preis für geistige Freiheit.
Eine Freiheit, für die Menschen in vielen Regionen dieser Welt einen hohen Preis zahlen. Zum Beispiel Oleg Senzow. Der ukrainische Filmregisseur sitzt seit vier Jahren in einem sibirischen Straflager. Sein Vergehen: Er hatte 2014 Proteste gegen die russische Annexion der Krim organisiert.
20 Kilo in 145 Tagen - aus Protest
Moskau bezeichnet den 42-Jährigen als "Krimterroristen" und Staatsfeind. Ein Gericht hat ihn deswegen zu 20 Jahren Haft verurteilt. Kurz vor der Fußball-WM in Russland war Senzow in den Hungerstreik getreten, um die Freilassung der anderen ukrainischen Gefangenen zu erreichen, die aus politischen Gründen in Russland im Gefängnis sind. Nach 145 Tagen und 20 Kilo Gewichtsverlust konnte er nicht mehr.
Weltweit machen sich Künstler und Menschenrechtsorganisationen für Senzow stark. Und das schon seit Jahren. Bis heute jedoch vergeblich.
Senzow wurde von der konservativen EVP-Fraktion für die Auszeichnung vorgeschlagen, zu der auch CDU und CSU gehören.
Unzufriedenheit, die hinter Gitter führt
Auch Nasser Zefzafi sitzt im Gefängnis. Er war das Gesicht und die Stimme der Protestbewegung in Marokko. 2016 und 2017 sind die Menschen dort zu Tausenden auf die Straße gegangen, um gegen die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in ihrem Land zu protestieren. Gegen Korruption, Unterdrückung und Machtmissbrauch. Wegen "versuchter Revolution", "Gefährdung der Staatssicherheit" und "Anstiftung zu Gewalttaten" ist der 39-jährige Aktivist zu 20 Jahren Haft verurteilt worden, nach einem Prozess, den nicht nur die Menschenrechtsorganisation Amnesty International als "extrem unfair" kritisierte.
Ebenfalls mit einem Hungerstreik protestierte Zefzafi im Sommer gegen seine Einzelhaft, und dagegen, wie er im Gefängnis behandelt wird. Für den Sacharow-Preis schlug ihn die Fraktion der Linken vor.
Protest für Nasser Zefzafi: Demonstranten fordern die Freilassung des Aktivisten.
Geht der Preis an Lebensretter auf dem Meer?
Anwärter für die Auszeichnung sind auch "Lifeline", "Sea Watch" und viele andere. Seit 2015 sind Nichtregierungsorganisationen, sogenannte NGOs, aus mehreren europäischen Ländern mit Schiffen im Mittelmeer unterwegs. Sie versuchen, Flüchtlinge und Migranten aus Seenot zu retten, die sich in oft hoffnungslos überfüllten Schlauchbooten auf den Weg Richtung Europa gemacht hatten. Für Tausende ist das Mittelmeer dabei zum Grab geworden, Tausende wurden aber auch gerettet - von ebensolchen Organisationen wie der "Boat Refugee Foundation", "Ärzte ohne Grenzen", "Save the Children" und vielen anderen mehr. Die Initiativen sind von den Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion nominiert worden.
Wer den mit 50.000 Euro dotierten Preis in diesem Jahr bekommt, wird wie immer in Straßburg bekannt gegeben. Die Verleihung ist für den 12. Dezember vorgesehen. Fest steht aber schon jetzt: Zwei der drei Nominierten werden die Auszeichnung nicht persönlich entgegennehmen können. Sie sitzen nämlich im Gefängnis.