Regierungskrise in Italien Salvini lässt Koalition platzen
Italiens Lega-Chef Salvini hat erklärt: Die Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung ist am Ende. Er fordert Neuwahlen. Regierungschef Conte gibt der Lega die Schuld am Scheitern des Bündnisses.
Auch das Ende verstand Matteo Salvini medial zu inszenieren. Am Abend, pünktlich zur Hauptnachrichtensendung des staatlichen Fernsehens RAI, verschickte der Führer der rechten Lega seine Erklärung, mit der er die Regierungskoalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung faktisch beendet.
Der TV-Reporter verlas zur besten Sendezeit live vor dem Regierungssitz Palazzo Chigi das Papier, das Salvini soeben an die Redaktionen verschickt hatte. Darin erklärt der Innenminister:
Ich habe im Gespräch mit Ministerpräsident Conte betont: Gehen wir sofort ins Parlament, um anzuerkennen, dass es keine Mehrheit mehr gibt. Geben wir das Wort schnell an die Wähler zurück.
Ministerpräsident gibt Lega die Schuld
Damit machte Salvini vor der Nation deutlich: Er sieht für die aktuelle Koalition keine Zukunft mehr und will schnelle Neuwahlen. Der parteilose Regierungschef Giuseppe Conte ging daraufhin eine Stunde vor Mitternacht vor die Fernsehkameras und räumte ein, dass die Regierung in der Tat am Ende sei. Er gab für diese Entwicklung aber ziemlich unverblümt Salvini die Schuld.
Er habe, so Conte, zwei längere Gespräche mit dem Lega-Chef gehabt, "der mir die Absicht der Lega angekündigt hat, diese Regierungserfahrung zu unterbrechen und wählen zu lassen. Um Kapital zu schlagen aus der Zustimmung, die seine Partei derzeit genießt."
Es war der Auftritt eines Noch-Ministerpräsidenten, der nur mühsam seinen Ärger unterdrücken konnte darüber, dass Salvini ein Ende der Koalition erzwingt.
Italiens Ministerpräsident Conte machte Lega-Chef Salvini für das Scheitern der Koalition verantwortlich.
Bahnprojekt als Anlass
Für den Lega-Chef ist der formale Anlass, aus der Koalition auszusteigen, die vorangegangene Abstimmung im Senat über das Hochgeschwindigkeitsbahnprojekt Turin-Lyon, über das in Italien seit Jahrzehnten gestritten wird. Seine Lega stimmte dafür, die Fünf-Sterne-Bewegung votierte gegen die Trasse.
Nach verschiedenen Konflikten in den vergangenen Monaten sagte Salvini am Abend vor Parteianhängern, sei diese Spaltung im Parlament ein Tiefpunkt der Koalition. Die Anfangszeit der gemeinsamen Regierung sei erfolgreich gewesen, jetzt aber müsse man zur Kenntnis nehmen, "dass sich in den vergangenen Monaten etwas verändert hat. Und dass etwas kaputt gegangen ist", sagte der Lega-Chef.
Suche nach Vorwand für Koalitionsbruch
Salvini selbst hatte in den vergangenen Wochen kaum eine Gelegenheit ausgelassen, den Koalitionspartner zu provozieren - unter anderem mit seinem harten Kurs in der Migrations- und Flüchtlingspolitik, der von der Fünf-Sterne-Bewegung nur zähneknirschend mitgetragen wurde. Eine vom Koalitionspartner vorgelegte Justizreform dagegen hatte Salvini mit scharfen Worten im Stile eines Oppositionspolitikers kritisiert.
Häufig wirkte das Auftreten des Lega-Politikers, als suche er nur einen geeigneten Vorwand, um die Koalition platzen zu lassen und Neuwahlen durchzusetzen. Hintergrund ist, dass sich Salvinis Lega seit Monaten in den Umfragen im Aufwärtstrend befindet. Jüngste Prognose sagen der Rechtspartei 36 Prozent der Stimmen voraus. Die Lega würde damit mit Abstand stärkste politische Kraft in Italien.
Luigi Di Maio sagt, seine Fünf-Sterne-Bewegung fürchte keine Neuwahlen.
Contes Rücktritt erwartet
Wie Conte gibt auch der Regierungspartner Fünf-Sterne-Bewegung, der bei Neuwahlen kräftige Stimmenverluste drohen, Salvini die Schuld am Koalitionsbruch. Auf Facebook erklärt Fünf-Sterne-Vizepremier Luigi Di Maio: Jemand wolle, dass die Regierung stürze, die Fünf-Sterne-Bewegung aber habe keine Angst vor Neuwahlen. Wörtlich schreibt di Maio: "Gut, wir sind bereit".
Conte hat angekündigt, er wolle noch einmal im Parlament reden. Danach dürfte er seinen Rücktritt bei Staatspräsident Sergio Mattarella einreichen.
Von der Opposition ist keine Nothilfe für die aktuelle Regierung zu erwarten. Sowohl die Demokraten - als größte linke Oppositionskraft - als auch die rechten Oppositionsparteien haben deutlich gemacht: Sie wollen ebenfalls so schnell wie möglich Neuwahlen. Als möglicher Termin für die Abstimmung über die Zusammensetzung eines neuen Parlaments wird in den italienischen Medien der 13. Oktober genannt.