Saudi-Arabien Angriff aufs Zentrum der Ölindustrie
Nach den Angriffen auf eine saudische Raffinerie wächst die Sorge vor einer Eskalation in der Region. Die USA machen den Iran verantwortlich, der spricht von "maximalen Lügen". Auch an den Rohstoffmärkten herrscht Unruhe.
Die Drohnenangriffe auf eine Ölraffinerie in Saudi-Arabien verschärfen die Spannungen im Iran-Konflikt und sorgen für Unruhe auf den Rohstoffmärkten. Während US-Außenminister Mike Pompeo den Iran für die Attacke verantwortlich machte, wies Teheran die Vorwürfe vehement zurück.
Präsident Hassan Rouhani sagte, die Regierung in Washington wolle mit ihren Anschuldigungen nur davon ablenken, dass ihr Verbündeter Saudi-Arabien ständig Luftangriffe auf den Jemen fliege und Menschen töte. Die USA müssten eingestehen, "dass ihre Präsenz in der Region die Probleme schafft". Sie müssten sich selbst und ihre Politik verantwortlich machen. "Wenn wir wirkliche Sicherheit in der Region haben wollen, dann muss die amerikanische Aggression aufhören."
Zuvor hatte auch der iranische Außenamtssprecher Abbas Mussawi erklärt, Pompeos Unterstellungen seien absurd und haltlos. Was im Jemen passiere, sei der Widerstand der Jemeniten gegen die Kriegsverbrechen der von den Saudis angeführten Militärkoalition. "Weil die US-Politik des maximalen Drucks auf den Iran gescheitert ist, sind die Amerikaner nun auf die der maximalen Lügen umgestiegen." Man könne zu dem Ergebnis kommen, dass sie mit solchen Unterstellungen "ganz andere Ziele" verfolgten, so Mussawi.
"Angriff auf die Welt-Energieversorgung"
Pompeo hatte nach der Attacke auf Twitter geschrieben: "Inmitten der Rufe nach Deeskalation hat der Iran jetzt einen beispiellosen Angriff auf die Welt-Energieversorgung verübt. Es gibt keinen Beweis, dass die Angriffe vom Jemen kamen." Er forderte alle Nationen dazu auf, die iranischen Angriffe "öffentlich und eindeutig" zu verurteilen. Die USA würden sicherstellen, dass der Iran für seine Aggression zur Rechenschaft gezogen werde.
Zuvor hatten sich die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen aus dem benachbarten Jemen ausdrücklich zu den Angriffen bekannt. Ein Militärsprecher der Huthis bezeichnete sie als "legitime Antwort" auf die anhaltende Militärkampagne Saudi-Arabiens im Jemen. Ein US-Regierungsvertreter teilte allerdings mit, es gebe Hinweise darauf, dass die Flugkörper aus west-nordwestlicher Richtung und damit aus Iran gekommen seien - und nicht aus dem Jemen im Süden.
Ölproduktion drastisch eingebrochen
Die Drohnenangriffe hatten am frühen Samstagmorgen Brände in zwei Anlagen des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco in Abkaik und Churais ausgelöst. Die Attacke schürt die Angst vor einem deutlich steigenden Ölpreis. Der Komplex wird zu den weltweit wichtigsten Ölanlagen gezählt.
Die Ölproduktion in Saudi-Arabien brach nach den Angriffen dramatisch ein. Die Produktionsmenge sei infolge der "terroristischen Attacken" um 5,7 Millionen Barrel auf etwa die Hälfte des üblichen Volumens pro Tag gesunken, berichtete die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA in der Nacht. Dabei handele es sich aber nur um einen vorübergehenden Effekt, der zudem durch die Einspeisung vorhandener Ölreserven in den Markt teilweise kompensiert werde.
Experten sehen in der Attacke einen Angriff auf das Zentrum der saudischen Ölindustrie. "Selbst wenn die Feuer schnell gelöscht sind und der Schaden in Abkaik nur gering ist, sind die Tore der Hölle ein bisschen weiter geöffnet", schrieb der US-amerikanische Analyst Robert McNally auf Twitter, der früher Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats war. Die in Washington ansässige Energieberatungsfirma "Rapidan Energy" bezeichnete die Raffinerie in Abkaik als die wichtigste Öleinrichtung der Welt.
USA zur Freigabe von Ölreserven bereit
An den Finanzmärkten wird zum Wochenstart mit einem spürbaren Ölpreisanstieg gerechnet - um vermutlich zwischen fünf und zehn Dollar pro Fass. Teilweise rechnen Experten sogar mit Panik, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Die Marke von 100 Dollar könnte demnach wieder in Reichweite rücken, sollte das Königreich nicht in der Lage sein, schnell wieder seine normale Kapazität zur Verfügung zu stellen.
Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris sah zunächst keine Versorgungsprobleme. Vorerst seien die Märkte gut mit reichlich kommerziellen Beständen versorgt, teilte sie mit. Man verfolge die Situation in Saudi-Arabien aufmerksam. Eine Sprecherin des US-Energieministeriums erklärte, die USA seien im Falle von Engpässen zur Freigabe von Ölreserven bereit.
In Deutschland dürften sich die Auswirkungen nach Einschätzung des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) in Grenzen halten. "Aus Saudi-Arabien kommt kaum Öl nach Deutschland - 2018 war es ein Prozent", sagte eine Verbandssprecher. "Eine Engpass-Gefahr beim Öl besteht für Deutschland also nicht."
"Reale Bedrohung der regionalen Sicherheit"
Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini nannte den Angriff in Saudi-Arabien eine "reale Bedrohung der regionalen Sicherheit". Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin betonte, ein Angriff auf die "zivile und kritische Infrastruktur Saudi-Arabiens" sei "durch nichts zu rechtfertigen" und verschärfe die Spannungen in der Region noch. Der UN-Sondergesandte für den Jemen, Martin Griffiths, warnte vor einer Eskalation auf der arabischen Halbinsel. Solche Zwischenfälle würden den von den Vereinten Nationen geleiteten politischen Prozess im Jemen gefährden.
Saudi-Arabien führt im Jemen eine von den USA unterstützte Militärkoalition an, die gegen die Huthis kämpft. Diese werden wiederum vom Iran unterstützt und halten große Teile des Nordjemens inklusive der Hauptstadt Sanaa unter Kontrolle.