König kündigt Reformen an Saudi-Arabien erlaubt Frauen am Steuer
Das Gehirn von Frauen sei zu klein, um Auto zu fahren - Kleriker in Saudi-Arabien hatten bis vor kurzem die wildesten Argumente, warum eine Frau nicht hinters Steuer gehöre. Doch nun soll das Verbot aufgehoben werden - nur eine von vielen Veränderungen.
Blinker rechts, Schulterblick - und abbiegen. Die junge Frau steuert das Auto sicher durch den Verkehr. Und doch begeht sie bislang eine Straftat. Denn die Frau, die ihren Namen nicht nennen will, fährt Auto - in Saudi-Arabien.
Ich fahre meine Schwestern selber zur Arbeit, statt auf einen Fahrer zu warten oder irgendwen anders. Sie wären dann zu spät gekommen, also haben wir entschieden, das selbst in die Hand zu nehmen. Ich fahre vorsichtig und gut - es gibt keine Gefahr, so Gott will.
Was vielerorts bereits mehr oder weniger heimlich praktiziert wurde, wird jetzt legal. Es sind nur wenige Zeilen der staatlichen saudischen Nachrichtenagentur, die am Abend Saudi-Arabien verändern: König Salman habe per Dekret angeordnet, dass Frauen bald am Golf Autofahren dürfen.
"No woman no drive"
Die Regierung sei angewiesen worden, rechtliche Schritte zu erarbeiten, damit Führerscheine auch an Frauen ausgegeben werden dürfen, hieß es in dem Erlass. Seit Jahren hatten Menschenrechtsaktivisten und Frauenrechtlerinnen in dem konservativen islamischen Land auf diesen Moment gewartet. Der saudische Aktivist Hisham Fagee hatte es vor einigen Jahren mit seinem Lied "No woman no drive" auf den Punkt gebracht.
Saudi-Arabien ist bislang das einzige Land der Welt, in dem Frauen nicht am Steuer eines Autos sitzen dürfen. Und das mit teils kruden Begründungen - wie ein Kleriker vor einigen Jahren in einer Talkshow:
Frauen sind physisch schwächer als Männer. Es ist bekannt, dass ihr Becken breiter ist als das von Männern, um dem Baby Platz zu geben. Wenn eine Frau selber Auto fährt, ist sie abgelenkt, und merkt nicht, dass die Haltung auf ihr Becken drückt und damit auf ihre Eierstöcke. Das ist der Grund, warum in Amerika und in Europa Frauen nur 2, 3 Kinder haben - nicht aufgrund von Familienplanung, sondern aufgrund einer Störung ihrer Eierstöcke.
Erneuerung und Modernität - auch für Frauen
Aussagen, die vor einigen Jahren in Saudi-Arabien offenbar noch hoffähig waren. Doch jetzt weht ein anderer Wind im Königshaus - das Land setzt auf Erneuerung, Wirtschaftsreformen und Modernität, bei der sogenannten Vision 2030 sollen auch Frauen eine wichtige Rolle spielen. Kürzlich wurde einem Kleriker Berufsverbot erteilt, der behauptet hatte, das Gehirn von Frauen sei zu klein zum Autofahren und schrumpfe beim Shopping sogar auf ein Viertel der Größe des männlichen Gehirns.
Noch gelten in Saudi-Arabien für Frauen drastische Beschränkungen, zum Beispiel strenge Bekleidungsvorschriften. Für Reisen oder Eheschließungen brauchen sie die Genehmigung eines männlichen Vormunds. Doch in den vergangenen Tagen und Wochen hatten mehrere Lockerungen für Schlagzeilen gesorgt: So dürfen Frauen seit Mai ohne Vormund studieren und arbeiten. Im Juli erlaubte das Bildungsministerium, dass Mädchen am Sportunterricht teilnehmen.
Und am vergangenen Wochenende war Frauen anlässlich der Nationalfeier erstmals der Zutritt zu einem Sportstadion gewährt worden. Ein Moment, der viele Frauen euphorisch stimmte. "Es ist wunderbar", so eine Besucherin. "Das Land öffnet sich, und wir Frauen dürfen endlich teilhaben. Es ist großartig. Wir saudischen Frauen haben uns in so vielen Feldern bewiesen, man muss uns wahrnehmen. Wir sind nicht so schwach, dass man uns an einem Ort festhalten kann."
Kronprinz will Land erneuern
Beobachter hatten die Aufhebung des Auto-Fahrverbots schon erwartet - sie gilt als Meilenstein in der Politik Saudi-Arabiens. Hinter der Öffnung steckt der 32-jährige Kronprinz Mohammed bin Salman, der das Land erneuern will.
Ein Gremium solle die geplante Gesetzesänderung jetzt prüfen und innerhalb von 30 Tagen eine Empfehlung aussprechen. Spätestens Mitte kommenden Jahres soll die Fahrerlaubnis für Frauen endgültig in Kraft treten. Und - wohl kein Zufall: Ab dem kommenden Jahr ist ausgerechnet Saudi-Arabien zum Mitgliedsland in einer wichtigen UN-Kommission gewählt worden: der zur Stärkung von Frauenrechten.