Abstimmungen mit Mehrheit Schäuble für Ende von EU-Einstimmigkeit
Kritikern ist das Einstimmigkeitsprinzip in der EU schon lange ein Dorn im Auge. Auch Bundestagspräsident Schäuble spricht sich für nun dessen Abschaffung aus. Mit Blick auf die EU-Wahl fordert er weitere Reformen.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat sich dafür ausgesprochen, dass bei EU-Entscheidungen der Zwang zur Einstimmigkeit aufgehoben wird. "Einstimmigkeitsprinzip heißt, dass der Langsamste alles blockieren kann", sagte der CDU-Politiker dem RBB. "Deswegen brauchen wir ein System von Mehrheitsentscheidungen, von mir aus qualifizierten Mehrheitsentscheidungen." An der "Europapartei CDU/CSU" werde eine solche Reform ganz sicher nicht scheitern.
Unterstützung aus der SPD
Auch die SPD fordert in ihrem Europawahlprogramm eine teilweise Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip. Das Prozedere bei Entscheidungen der Staats- und Regierungschefs zur Steuerpolitik solle geändert werden, um die "Lähmung durch einzelne Mitgliedstaaten" zu beenden, heißt es in Medienberichten, die aus dem Papier zitieren. Damit wolle man eine konsequente Besteuerung von Großkonzernen sicherstellen.
Auch EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici spricht sich für eine Reform aus: "Wir können nicht akzeptieren, dass das Veto von einem Staat alles andere blockiert", erklärte er jüngst.
Bei vielen Entscheidungen muss jeder EU-Staat zustimmen - was laut vielen Kritikern zu Minimalkonmpromissen führt.
Auch einfache und doppelte Mehrheit möglich
Allerdings ist bei längst nicht allen Themen eine Einstimmigkeit notwendig. Es geht dabei ausschließlich um Angelegenheiten, die die Mitgliedstaaten als sensibel betrachten, wie etwa die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, EU-Finanzen, Bürgerrechte oder Fragen der EU-Mitgliedschaft.
In anderen Bereichen reicht teilweise eine einfache Mehrheit oder eine qualifizierte bzw. doppelte Mehrheit. Bei letzterer müssen 55 Prozent der Mitgliedstaaten für den Vorschlag stimmen - also konkret 16 von 28 -, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der Union repräsentieren.
Schäuble für weitere Reformen
Mit Blick auf die Europawahl in knapp drei Monaten sagte Schäuble: "Wenn das Ergebnis bei der Europawahl wäre, dass das Europaparlament eine starke Minderheit oder gar eine Mehrheit von euro-skeptischen Abgeordneten hätte, also von Abgeordneten, die nicht für die europäische Integration sind, dann wäre das natürlich für die EU schon etwas sehr schicksalhaftes."
Mehr Finanzkompetenzen auf EU übertragen
Schäuble sprach sich zugleich dafür aus, Teile der nationalen Finanz- und Wirtschaftspolitik auf die Ebene der europäischen Institutionen zu übertragen. Nur wenn das gelinge, könne man auch einen EU-Finanzminister einführen. "Solange man das nicht hat, macht ein Finanzminister alleine auch keinen Sinn. Denn der ist dann nur ein Symbol, der keine Kompetenzen hat." Ein europäischer Finanzminister brauche einen europäischen Haushalt, brauche europäische Einnahmen und brauche natürlich auch die entsprechenden Kompetenzen. Schäuble war bis 2017 rund acht Jahre lang Bundesfinanzminister.