Interview mit dem Polizeipräsidenten von Frankfurt (Oder) "Keine Hinweise auf veränderte Kriminalitätslage"
Mehr als 400 Millionen EU-Bürger können sich nun ohne aufwändige Grenzkontrollen zwischen insgesamt 24 Staaten hin- und herbewegen. Möglich wurde das durch die Ausweitung des Schengen-Abkommens. In Deutschland fielen die Kontrollen an der tschechischen und an der polnischen Grenze weg. Tagesschau.de sprach mit Arne-Christian Feuring, dem Polizeipräsidenten der Grenzstadt Frankfurt (Oder), über Ängste in der Bevölkerung und die Vorbereitung der Polizei.
tagesschau.de: Frankfurt (Oder) hat drei Grenzübergänge. Dort fallen ab heute um Mitternacht die Grenzkontrollen weg. Was wird sich dann konkret in Ihrer Arbeit verändern?
Arne-Christian Feuring: Rein faktisch besteht für Deutsche und Polen ab Mitternacht völlige Freizügigkeit - das heißt, sie können die Grenze auch an jedem Punkt überschreiten. Konkret rechnen wir tatsächlich mit einem erhöhten Aufkommen im Grenzverkehr. Ich denke schon, dass die Bürger das gerade in der ersten Zeit wahrnehmen werden. Darauf sind wir eingestellt.
tagesschau.de: Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?
Feuring: Es gibt Befürchtungen – das muss man ganz klar sagen. Und wir kennen diese Befürchtungen auch schon aus dem Jahr 2004, als Polen der EU beitrat. Die Befürchtungen haben sich allerdings schon damals nicht bestätigt, und wir haben auch gegenwärtig keine Anhaltspunkte, dass sich die Kriminalitätslage verändern könnte. Wir nehmen die Befürchtungen aber gleichwohl sehr ernst, weil sie nun mal da sind. Aber wir versuchen der Bevölkerung auch darzulegen, dass wir uns seit vielen Jahren auf diesen Zeitpunkt vorbereitet haben – es ist ja nicht so, dass uns das jetzt überrascht. Wir arbeiten eng mit unseren Partnern in Polen und haben in denen auch sehr starke Partner.
tagesschau.de: In den vergangenen Tagen hat es warnende Stimmen - etwa aus dem bayerischen Innenministerium oder den Polizeigewerkschaften - gegeben, die Grenzöffnung komme möglicherweise zu früh und die Polizisten, auch die deutschen, seien zu schlecht ausgestattet. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Feuring: Ich kann das nicht bestätigen. Wir müssen eins mal ganz klar sagen: Schengen-Außengrenzen gab es ja auch schon in anderen Teilen unserer Republik – nach Dänemark zum Beispiel oder im westlichen Teil. Dann müsste man dort ja ebenfalls folgern, wir seien nicht gut aufgestellt. Und dem ist doch einfach nicht so.
Das Schengen-Informationssystem – kurz SIS – ist ein zentrales Datenbank-System der EU, das inzwischen nach offiziellen Angaben über mehr als elf Millionen Einträge verfügt. Bei Pass- und Personenkontrollen oder bei der Überprüfung eines verdächtigen Autos können Grenzbeamte die Informationen per Laptop sekundenschnell abfragen. Die Informationen des SIS werden ständig mit nationalen Datenbanken abgeglichen. Abgefragt werden können neben den persönlichen Daten auch Hinweise, ob eine gesuchte Person bewaffnet, oder gewalttätig ist und welche Maßnahmen etwa Europol bei der Festnahme eines Gesuchten vorschlägt. Daneben werden etwa Details über gestohlene Waffen, Pässe, Kraftfahrzeuge oder auch Banknoten festgehalten. In das System aufgenommen werden Personen, nach denen gefahndet wird oder die als "unerwünschte Person" gelten, sowie gesuchte Zeugen oder Angeklagte, mutmaßliche Kriminelle oder als vermisst gemeldete. Im Einsatz ist derzeit die erste Version des SIS. Weil befürchtet wurde, dass dieses für die erweiterte Union nicht mehr ausreichen wird, wird bereits seit längerer Zeit am Aufbau eines neuen Systems gearbeitet. Dieses sollte eigentlich bereits Anfang 2007 zum Einsatz kommen, was jedoch nicht möglich war. Nun ist ein Starttermin für das kommende Jahr vorgesehen.
tagesschau.de: Derzeit wird noch mit der ersten Version des so genannten Schengen-Informationssystems gearbeitet, die Nachfolgerversion ist noch nicht einsatzbereit. Ist das für Sie problematisch?
Feuring: Nein. Die neue Version soll es im kommenden Jahr geben. Und das System, mit dem wir derzeit arbeiten, kommt bisher in anderen Grenzregionen zum Einsatz – das funktioniert da einwandfrei. Insofern ist das aus unserer Sicht nicht problematisch.
Die Fragen stellte Andrea Krüger, tagesschau.de