Innenminister fürchten um Souveränität EU will über Grenzkontrollen mitentscheiden
Die EU-Kommission möchte künftig maßgeblich mitentscheiden, wann wieder Grenzkontrollen eingeführt werden - stößt damit aber auf Widerstand. Die Innenminister von Deutschland, Frankreich und Spanien wollen sich ihre Königsrechte nicht einfach so nehmen lassen.
Von Cai Rienäcker, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Im Brüsseler Kommissionsgebäude trat heute eine angriffslustige Cecilia Malmström ans Mikrofon: Nach eineinhalb Jahren im Amt hätten nur sehr wenige ihrer Vorschläge keine hitzige Debatte ausgelöst, erklärte die schwedische EU-Kommissarin mit einem herausfordernden Lächeln.
Auch ihre neuste Initiative hat das Zeug zu einem Dauerbrenner. Mit Rückendeckung der gesamten EU-Kommission will die Schwedin den Innenministern der Mitgliedsstaaten eines ihrer Königsrechte nehmen: die Entscheidung darüber, ob an der Grenze kontrolliert wird oder nicht, soll künftig im Regelfall in Brüssel getroffen werden - auch wenn Malmström versuchte, das etwas herunterzuspielen: "Wenn es planbare Ereignisse gibt, dann sagen wir nur, dass sie die EU-Kommission benachrichtigen sollen. Die berät dann mit allen Mitgliedsstaaten. Das kann ganz schnell gehen. Und wenn es einen Notfall gibt, einen Terrorangriff wie diesen Sommer in Norwegen und die Grenzen geschlossen werden müssen, dann können die einzelnen Staaten das immer noch für fünf Tage tun", so Malmström.
Angriffslustig: Die schwedische EU-Kommissarin für Innenpolitik, Malmström, will das Schengen-System vergemeinschaften.
EU-Kommission soll zum Hauptakteur werden
Nur in diesen Ausnahmefällen, bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Ordnung, dürften die Innenminister der EU-Staaten noch selbst entscheiden und müssten ihren Schritt schon nach wenigen Tagen von Brüssel absegnen lassen. In den meisten Fällen jedoch würde die EU-Kommission zum Hauptakteur. Grenzkontrollen während des Papstbesuches in Deutschland müsste sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich erst von der EU-Kommission und dann von einem europäischen Expertenrat genehmigen lassen.
Die europäischen Innenminister haben zwar per Mehrheitsentscheid das letzte Wort. Aber das Schengen-System würde damit fast komplett vergemeinschaftet. "Dieser Schritt erfordert ein bisschen Mut, vor allem in dieser Krisenzeit, in der sich die Mitgliedsstaaten mehr an nationalen Interessen orientieren", so EU-Kommissarin Malmström. "Aber am Ende wird dieser wahre europäische Ansatz allen Ländern und allen Bürgern nützen."
Widerstand aus EU-Staaten
Das sieht man in einigen europäischen Hauptstädten ganz anders. Schon zu Beginn der Woche hatten die Innenminister von Deutschland, Frankreich und Spanien die Ideen der EU-Kommission zurückgewiesen.
Bundesinnenminister Friedrich machte auch heute in Berlin noch einmal klar, dass in allen Fragen der inneren Sicherheit und der Grenzkontrollen die nationale Souveränität aufrecht erhalten werden müsse: "Selbstverständlich, die Reisefreiheit ist ein hohes Gut. Und selbstverständlich wollen wir auch, wenn längerfristige Kontrollen geplant sind, dass diese im Rat der Innenminister besprochen werden und dass die Kommission dort auch ihr Wort machen kann - überhaupt keine Frage", so Friedrich. "Aber die Entscheidung bleibt bei den Staaten."
Schon nächste Woche werden Friedrich und Malmström bei einer Ministertagung in Brüssel aufeinandertreffen. Ob die Gesetzesinitiative der EU-Kommission irgendwann durchkommen wird, entscheiden letztlich die Innenminister zusammen mit dem Europäischen Parlament. Bis dahin wird weiter ausschließlich in den Hauptstädten der 25 Schengen-Staaten entschieden, wann an der Grenze kontrolliert wird und wann nicht.