Italiens Vorgehen gegen Schleuserbanden "Die Sklavenhändler unserer Tage"
Schleuser setzen bewusst das Leben von Flüchtlingen aufs Spiel - und verdienen Millionen damit. Nach der jüngsten Flüchtlingskatastrophe wollen Italien und Malta mit einem gezielten Polizeieinsatz gegen Schlepperbanden vorgehen.
Verzweiflung ist die Geschäftsgrundlage von Schleppern, die in diesen Tagen im Stundentakt die Boote ins Mittelmeer schicken. Alte Fischkutter und Schlauchboote, die kaum hochseetauglich sind. Die Flüchtlinge bezahlen praktisch jeden Preis für die Überfahrt, je nach Größe des Bootes 500 Euro, 1000 Euro, 2000 Euro.
Ein mörderisches Geschäft, sagt Maltas Ministerpräsident Joseph Muscat: "Auf dem Boot, das vor drei Tagen untergegangen ist, waren ungefähr 800 Menschen. Wer diese Fahrt in den Tod organisiert hat, der hat zwischen einer und fünf Millionen Euro verdient. Das ist der Handelswert der Menschen, die ihr Leben verloren haben."
Misshandlungen durch Menschenhändler
Dass die Schlepperbanden keine arglosen Fluchthelfer sind, beweist auch ein Video, das der "Corriere della Sera" auf seine Internetseite gestellt hat. Es zeigt Szenen aus einem Flüchtlingslager in der Nähe von Zuwara, an der libysch-tunesischen Grenze - heimlich gefilmt. Männer werden der Reihe nach ausgepeitscht, offenbar von Menschenhändlern, die auf diese Weise von den Angehörigen einen höheren Preis für die Überfahrt nach Italien erpressen wollen.
Die Schlepperbanden kontrollieren die gesamte Flüchtlingsroute: Von den Herkunftsländern durch die Sahara, von Libyen nach Europa. Auch in Italien funktioniert dieses Netzwerk, sagt der Polizeichef von Agrigent, Mario Finocchiaro. Er ist auch für die Flüchtlingsinsel Lampedusa zuständig: "Wir haben im vergangenen Jahr zehn Personen in Italien festgenommen, weitere haben wir in anderen Ländern ausfindig gemacht. Sie alle sind Teil einer größeren Organisation von Menschenhändlern."
24 Schlepper festgenommen
Gestern hat die Staatsanwaltschaft von Palermo die Festnahme von 24 Schleppern gemeldet, die als Flüchtlinge getarnt die Weiterreise von Sizilien in andere Länder Europas organisierten. Nach Deutschland für 500 Euro, nach Schweden für 1100 Euro. Sie sind die kleinen Räder im großen Getriebe des Menschenhandels.
Genauso wie die beiden Männer, die gestern Nacht in Catania festgenommen wurden. Der Kapitän und ein Besatzungsmitglied des Schiffes, das in der Nacht zum Sonntag untergegangen ist. Wenn wir von den Schleppern sprechen, dann sprechen wir vom letzten Glied einer Kette von Menschenhändlern. Im Hintergrund stehen die, die Schleuseraktivitäten organisieren."
Gezielter Polizeieinsatz
Italien und Malta haben den Hintermännern des Menschenhandels den Kampf angesagt. Das solle keine großangelegte Militärmission in Libyen sein, sondern ein gezielter Polizeieinsatz, sagt Maltas Premier Muscat. Der Inselstaat verfügt über traditionell gute Verbindungen nach Libyen. "Wir sprechen nicht über ein Netzwerk von Tausenden von Menschen", so Muscat. "Ich denke, es gibt einige Hundert Kriminelle und gegen die müssen wir vorgehen - gegen die Sklavenhändler unserer Tage."
Beim Kampf gegen die Schlepper ist Eile geboten. Denn nach Aussage des Kommandanten der italienischen Küstenwache findet gerade ein "Exodus biblischen Ausmaßes" statt. Mehr als 2000 Frauen und Männer der Küstenwache seien unterwegs, um Menschen zu retten - oft jedoch vergeblich. "Wir sind am Anschlag", gestand der Kommandant in einem Zeitungsinterview.
Zur Flüchtlingsproblematik sendet das Erste heute Abend um 22.45 Uhr einen "Weltspiegel extra" mit dem Thema "Massengrab Mittelmeer".