Bundeskanzler in Rom Was Scholz und Meloni eint
Trotz einiger Differenzen verstanden sich die italienische Regierungschefin Meloni und Bundeskanzler Scholz überraschend gut. Scholz will die Beziehungen zu Italien sogar weiter ausbauen.
Sie hatten sich etwas zu sagen. Über eine Stunde haben die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni und Bundeskanzler Olaf Scholz unter "vier Augen" miteinander geredet - viermal länger als geplant. Ein derart üppiges Überschreiten des Zeitplans gilt bei derartigen Treffen als positives Zeichen.
Der Bundeskanzler würdigte in der anschließenden Pressekonferenz dann auch die guten Beziehungen zwischen beiden Ländern. Italien sei für Deutschland "ein wichtiger Partner und verlässlicher Freund", denn "unsere Länder sind engstens miteinander verwoben - kulturell, wirtschaftlich, gesellschaftlich".
Parteipolitische Distanz spielte keine Rolle
Wie schon beim Treffen in Berlin im Februar hat die parteipolitische Distanz zwischen dem Sozialdemokraten Scholz und der Postfaschistin Meloni in den Gesprächen offensichtlich keine Rolle gespielt. Beide bekannten sich beispielsweise zu einer gemeinsamen europäischen Lösung in der Migrationspolitik.
Meloni setzte den Akzent dabei auf die Forderung: Europa müsse mehr tun, um die Abfahrt von Migrantinnen und Migranten aus Afrika Richtung Europa zu stoppen. Das Thema sei, meinte Italiens Regierungschefin, "die Außengrenzen zu verteidigen, die Routen der Menschenschlepper zu bekämpfen und legale Einwanderung zu fördern". Hierzu sei es erforderlich, sagte Meloni, die Herkunfts- und Transitländer "in eine seriöse Zusammenarbeit" einzubinden und ihnen Investitionen zuzusagen.
Kooperation mit Nordafrika gemeinsames Anliegen
Meloni zeigte sich zufrieden, dass sie demnächst mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte nach Tunesien reist, um Vereinbarungen in diesem Sinne abzuschließen. Auch Scholz äußerte sich hierzu positiv, bezeichnete die sich anbahnende Kooperation mit Ländern Nordafrikas als gemeinsames europäisches Anliegen in der Migrationspolitik.
Kooperation statt Aufeinanderzeigen
Gleichzeitig machte der Kanzler erneut deutlich, dass er sich ein verlässlicheres System zur Registrierung von Migrantinnen und Migranten durch die Staaten an den EU-Außengrenzen wünscht. Scholz wies darauf hin, dass, obwohl Deutschland keine EU-Außengrenze hat, 80 Prozent der Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen und nicht aus der Ukraine stammen, "nirgendwo vorher registriert wurden". Ein "Aufeinanderzeigen" aber lehnte Scholz ab, vielmehr sei "Kooperation hier angebracht".
Italiens Regierung dagegen sieht die von der EU-Kommission vorgeschlagenen gemeinsamen europäischen Hotspots an den Außengrenzen skeptisch. Rom hält die eigenen Registrierungszentren für effektiv genug.
Krieg in der Ukraine schweißt zusammen
Jenseits der Lippenbekenntnisse zu einer gemeinsamen europäischen Migrations-und Asylpolitik wurde beim Treffen in Rom auch deutlich, was die beiden politisch so unterschiedlichen Regierungschefs derzeit vor allem zusammenschweißt: der Krieg in der Ukraine. Der russische Überfall habe das Sicherheitsumfeld in Europa grundlegend verändert, betonte Scholz. Deswegen sei es gut, sich gemeinsam zu besprechen, wie man auf diese Zeitenwende reagiert:
Gemeinsam stehen wir an der Seite der Ukraine, die wir politisch, finanziell, humanitär und mit Waffen und militärischer Ausbildung unterstützen. Und wir tun das so lange, wie das nötig ist.
Fast wortgleich bekannte sich Meloni zur Hilfe für die Ukraine "so lange es nötig ist".
Verständigung auf deutsch-italienischen Aktionsplan
Verständigt haben sich Scholz und Meloni heute über einen schon seit längerem geplanten deutsch-italienischen Aktionsplan. Er war von Scholz auf den Weg gebracht worden, als Mario Draghi noch Ministerpräsident in Rom war. Der Aktionsplan soll die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Rom grundsätzlich verbessern - und war als Antwort gedacht auf den Quirinalsvertrag, den Italien und Frankreich vor zwei Jahren abgeschlossen haben.
Im Aktionsplan, der im Herbst unterzeichnet werden soll, ist unter anderem eine engere Kooperation zwischen Deutschland und Italien geplant in der Außen- und Verteidigungspolitik, im Umweltbereich, bei der Wirtschaftsentwicklung, der Bildungs- und Forschungspolitik und auch in Sachen Migration. Aus Anlass der Unterzeichnung des Aktionsplans soll es im Herbst ein gemeinsames Treffen der deutschen und der italienischen Regierung geben - das erste seit 2016.