Schweden übernimmt EU-Ratsvorsitz Warmer Empfang im eiskalten Kiruna
Ukraine-Krieg, Energiekrise und Pandemie-Folgen: Schweden übernimmt den EU-Ratsvorsitz in unruhigen Zeiten. Auch innenpolitisch gibt es im Land Bewegung. Trotz aller Probleme ist zum Start ein herzlichen Willkommen geplant.
Schwedens großer Auftakt in der neuen Rolle ist ein Treffen der EU-Kommission in wenigen Tagen. Und das wird nicht etwa in Stockholm stattfinden, sondern in Kiruna - ganz im Norden Schwedens, oberhalb des Polarkreises. Die Sonne geht um kurz nach 10 Uhr morgens auf und drei Stunden später wieder unter, die durchschnittliche Höchsttemperatur beträgt minus neun Grad Celsius.
Die europäischen Gäste werden mit Eisskulpturen empfangen: "Wir werden einen sehr schönen Rahmen bieten", sagte der inzwischen ehemalige Gemeindevorsitzende Gunnar Selberg dem schwedischen Radio. "Unsere Eisskulpturen werden ihre Augen strahlen lassen."
Start in unruhigen Zeiten
Einen glanzvollen Start wünschen sich die Schweden in denkbar unruhigen Zeiten. Nicht nur im Bezug auf die großen europäischen Themen wie der Krieg in der Ukraine oder die Energiekrise.
Auch innenpolitisch gibt es im Land viel Bewegung: Die neue Regierung ist noch keine 100 Tage im Amt und sorgte bereits für Aufsehen und Verwunderung in Europa: Denn erstmals wird Schweden von einer bürgerlichen Minderheitsregierung gesteuert, die sich von den Rechtspopulisten stützen lässt.
Die neue Macht der Rechtspopulisten
Die Schwedendemokraten sind zwar nicht offiziell an der Macht, aber ohne sie als stärkste Kraft im rechten Block können die Regierungsparteien nichts erreichen. Und so regieren sie zumindest indirekt mit, sitzen bei Regierungs-Pressekonferenzen am Tisch - so wie kürzlich zum Thema "Was tun gegen kriminelle Banden im Land".
Der Vorsitzende der Rechtspopulisten Jimmie Åkesson sagte ganz selbstverständlich: "Es wird richtig ungemütlich für Kriminelle werden in dem Schweden, dass wir jetzt regieren. Dazu müssen wir der Polizei so schnell, wie möglich neue Werkzeuge an die Hand geben. Zum Beispiel die Durchsuchung von Fahrzeugen etc. ohne konkreten Verdacht auf ein Verbrechen."
Mehr als Krisenmanagement?
Die starke Stellung der Rechtspopulisten in Schweden wird auch die Arbeit der Regierung in der EU beeinflussen, glauben viele. Und das bisherige Bild Schwedens als moralische Großmacht in der Welt könnte sich verändern. Große Veränderungen gab es jedoch schon im vergangenen Jahr - einen Paradigmenwechsel, als sich das Land von seiner Neutralität verabschiedete und gemeinsam mit Finnland den Antrag auf eine NATO-Mitgliedschaft stellte.
Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson will in den sechs Monaten EU-Ratspräsidentschaft in die Zukunft schauen: "Krisenmanagement ist wirklich eine Kernkompetenz der EU. Das haben wir während der Pandemie bewiesen und tun es auch jetzt. Wir müssen uns auch um Dinge kümmern, die außerhalb des Krisenmanagements liegen. Wettbewerbsfähigkeit und Klimawandel. Wir müssen beweisen, dass wir sowohl unmittelbare Krisen als auch langfristige europäische Herausforderungen gleichzeitig im Blick haben.”
Neben diesen beiden Themen soll auch die Sicherheitspolitik mit Fokus auf die Ukraine im Mittelpunkt stehen. Außerdem noch die Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als gemeinsames, europäisches Fundament.
Wie viel sich davon umsetzen lässt? Göran von Sydow, Direktor des Swedish Institute For European Policy Studies in Stockholm hat Zweifel: "Bisher war der Zusammenhalt in der EU groß, aber es gibt schon kleine Anzeichen dafür, dass wir auf kompliziertere Zeiten zugehen. Die Folgen des Ukraine-Krieges sind nicht vollständig absehbar. Und die Weltlage im Zusammenhang mit der russischen Invasion ist geopolitisch sehr angespannt."
Sechs Monate hat Schweden Zeit, Europa voranzutreiben - ein warmer Empfang im eiskalten Kiruna soll dabei in wenigen Tagen für einen guten Start sorgen.