Seenotrettung im Mittelmeer EU fordert Verteilungsregeln für Flüchtlinge
Um schnelle Lösungen für den Umgang mit geretteten Bootsflüchtlingen zu finden, fordert die EU-Kommission einen vorläufigen Mechanismus zur Verteilung der Menschen auf die Mitgliedstaaten. Einzelfalllösungen sollen vermieden werden.
Angesichts der Flüchtlingskrise in Afrika und im Mittelmeer hat EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos einen "vorläufigen" Verteilungsmechanismus für gerettete Migranten gefordert. "Die Herausforderungen der Migration können nicht nur in der Verantwortung von Italien und Malta liegen, nur weil sich diese Staaten am Mittelmeer befinden", sagte Avramopoulos der "Welt".
Zusammenarbeit mit Drittstaaten nötig
Bis die neuen Regeln zur Verteilung von Flüchtlingen umgesetzt würden, fordere er daher alle EU-Mitgliedsländer auf, "ihre Arbeit zu beschleunigen und vorläufige Vereinbarungen zu finden, wie mit den Menschen umzugehen ist, wenn sie die Rettungsschiffe verlassen haben".
EU-Innenkommissar Avramopoulos will auf dem Ministertreffen kommende Woche eine längerfristige Lösung finden.
Dabei müssten Situationen wie bei den deutschen Flüchtlingsrettungsschiffen "Sea-Watch 3" und "Alan Kurdi" sowie ähnliche Vorfälle aus der Vergangenheit, bei denen die Kommission Einzelfalllösungen zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert hatte, verhindert werden, sagte Avramopoulos. "Nächste Woche werden wir das erste EU-Innenministertreffen unter finnischer Ratspräsidentschaft abhalten - ich hoffe, dass wir dort vorankommen können."
Zugleich müsse die EU aber auch mit Drittstaaten zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass Menschen bei der Flucht ihr Leben riskierten. Dabei sollten jene, die Schutz durch eine Umsiedlung benötigten, auf legalem Wege nach Europa kommen.
Deutschland will "auf europäischer Plattform debattieren"
Innenstaatssekretär Stephan Mayer will das Thema bei dem Treffen in Helsinki ebenfalls ansprechen. Das Problem müsse auf einer europäischen Plattform debattiert werden, damit sich die anderen Länder nicht "aus dem Staub machen" könnten, sagte Mayer im SWR.
Deutschland engagiere sich bereits in angemessener Weise. Die Bundesregierung sei immer wieder bereit, Schiffbrüchige aufzunehmen, sagte der CSU-Politiker. Jetzt seien auch andere EU-Regierungen gefordert, ebenso wie die EU-Kommission. Er habe die Hoffnung, dass der italienische Innenminister Matteo Salvini seine Position, die Häfen für Schiffe der Seenotrettung zu schließen, revidiere. Allerdings müsse man ihm anbieten, ankommende Flüchtlinge auf andere Länder zu verteilen, so Mayer.
UNHCR fordert Rettungseinsätze mit Libyen
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) forderte von den europäischen Staaten, "all ihre politischen Beziehungen zur libyschen Regierung zu nutzen, um eine deutliche Verbesserung der Lage für die Menschen in den Lagern zu erreichen". Der UNHCR-Repräsentant in Deutschland, Dominik Bartsch, sagte der "Welt", das Ziel müsse "eine Freilassung aller Menschen aus den Lagern sein. Die Evakuierung der Flüchtlinge außer Landes ist eine lebensrettende Notlösung".
Das UNHCR begrüßte einen entsprechenden Vorstoß von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Dieser hatte sich am Montag für einen internationalen Rettungseinsatz schon auf libyschem Boden ausgesprochen. "Die Menschen in den dortigen Elendslagern haben die Perspektive, in den Camps durch Gewalt oder Hunger zu sterben, auf dem Rückweg in der Wüste zu verdursten oder im Mittelmeer zu ertrinken", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Er appellierte an die neue EU-Kommission, "sofort" zu handeln und eine "neue Initiative" zu starten, um die Mittelmeeranrainer zu unterstützen. Am Dienstag legte Müller noch einmal nach. Er kritisierte in der "Bild", dass sich die EU seit dem Ende der Mittelmeer-Mission "Sophia" von "einer Notlösung zur nächsten" hangele. "Wir können nicht auf alle warten. Die aufnahmebereiten Staaten müssen jetzt vorangehen", sagte er.
Bisher nur Einzelfallabsprachen
Petra Bendel, Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, forderte die EU-Staaten auf, Rückführungen nach Libyen auszusetzen. "Staatliche Akteure haben seit langem Kenntnis von Folter und Exekutionen in libyschen Lagern", sagte sie der "Welt". Wenn die EU in Kooperation mit libyschen Behörden die Rückführung von Migranten nach Libyen organisiere, "ergibt sich die Frage, inwiefern sie sich mitverantwortlich macht an den Menschenrechtsverletzungen."
Die jüngsten Flüchtlingsdramen in Afrika und im Mittelmeer hatten den Streit um ein gemeinsames europäisches Vorgehen in der Flüchtlingspolitik weiter angefacht. Politiker mehrerer deutscher Parteien forderten eine europäische Lösung für Seenotrettung und die Verteilung von Flüchtlingen.
In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder ein diplomatisches Tauziehen um gerettete Migranten gegeben. Italien und Malta hatten Rettungsschiffen privater Hilfsorganisationen wiederholt das Anlegen in ihren Häfen verweigert. Malta stimmte mehrfach erst zu, nachdem andere EU-Länder zugesichert hatten, die Menschen aufzunehmen. Es blieb aber bei Einzelfallabsprachen, einen dauerhaften Mechanismus gibt es bislang nicht.