Gedenken an Srebrenica-Massaker Täglicher Kampf um die Wahrheit
Für bosniakische Politiker und Angehörige der Opfer ist das Trauma von Srebrenica noch lange nicht abgeschlossen. Beim Gedenken an den Völkermord fordern sie von der Täterseite ein Ende des Leugnens.
"Für uns, die wir hier leben, ist jeder Tag der 11 Juli, und jeden Tag kämpfen wir um die Wahrheit." Das sagte Hamdija Fejzic zum Auftakt des Gedenkens in der Gedenkstätte Srebrenica-Potocari. Sie liegt im serbischen Teil des Landes, und der bosniakische Vizebürgermeister von Srebrenica sprach damit an, was sich praktisch durch alle Gedenkreden zog: die massive Kritik am systematischen Leugnen des Völkermords auf Täterseite.
"Ich sage Ihnen jetzt etwas, das Sie in den Schulen in dem serbischen Landesteil hier nicht hören können: Ich sage Ihnen die Wahrheit, die durch Tatsachen und Gerichtsurteile bestätigt ist. Die Wahrheit, die in Srebrenica in diesem Landesteil - der Republika Srpska - nicht gelehrt wird", sagte Fejzic.
"Mahnung für die Menschheit"
Begleitet von einer religiösen Zeremonie wurden die menschlichen Überreste von neun Ermordeten auf dem Friedhof der Gedenkstätte in Potocari beerdigt. In diesem Jahr war der Jüngste 23, der Älteste 70 Jahre alt. Mehr als 6600 Ermordete oder Teile von ihnen liegen nun unter den schlanken weißen Stelen des Friedhofs. Noch immer gelten rund 1200 Opfer als vermisst.
Aufgrund der Coronaregeln kamen in diesem Jahr deutlich weniger Menschen zum Gedenken. Sefik Dzaferovic war persönlich anwesend. Der bosniakische - also muslimische - der drei gesamtbosnischen Staatspräsidenten trug die grün-weiße Srebrenica-Blume am Revers.
Trotz der Resolution, durch die Srebrenica damals zu einer UN-Schutzzone erklärt worden war, blieben konkrete Schritte aus, kritisierte Dzaferovic.
Das Ergebnis einer konkreten Aktion, die Ideologie des Übels und deren mörderische Horden zu stoppen, das sind die weißen Grabsteine hier in Potocari. Sie werden für immer eine Mahnung für die Menschheit sein, dass es keine Kalküle geben darf, wenn es darum geht, sich dem Bösen zu widersetzen.
Noch immer gelten rund 1200 Opfer des Massakers von 1995 als vermisst.
Gesetz gegen Leugnung des Genozids gefordert
Dzaferovic forderte ein Gesetz zur Leugnung von Genoziden, das serbisch-bosnische Politiker bisher verhindert haben. Auch Munira Subasic forderte ein solches Gesetz. Wie schwer dieser Tag für die Angehörige war, weiß die Präsidentin der "Mütter von Srebrenica und Zepa" aus eigener Erfahrung. Sie fand Knochen von Ehemann und Sohn erst Jahre nach dem Völkermord.
Die Wahrheit ist unsere stärkste Waffe", sagt sie. "Wir Mütter suchen nach der Wahrheit und warten auf Gerechtigkeit. Helft nicht nur den Müttern aus Srebrenica, sondern allen Müttern, die Knochen ihrer Kinder zu finden, und helft dabei, dass die Verbrecher vor Gericht gestellt werden.
"Lindern Sie unseren Schmerz"
Fast 50 Staats- und Regierungschef aus aller Welt sowie UN-Generalsekretär António Gueterres waren per Video zu dem Gedenken zugeschaltet, darunter mehrere Präsidenten der Balkanländer wie Kroatien und Montenegro oder der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. "Es war Völkermord", sagte Steinmeier. "So hat es der internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien unmissverständlich festgestellt."
EU Kommissionschefin Ursula von der Leyen erinnerte per Video daran, dass die Welt damals ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Ein Hinweis auf das Versagen der niederländischen UN-Blauhelme, die den Völkermord nicht verhinderten, aber auch keine Unterstützung erhalten hatten, etwa durch die NATO.
Vizebürgermeister Fejzic beendete seine Rede mit einem Appell an die Welt:
Sie haben uns vor dem Völkermord im Juli 1995 nicht geschützt. Was tun Sie jetzt, um uns vor der letzten Phase des Genozids zu schützen? Schützen Sie uns. Tun Sie das und lindern Sie unseren Schmerz. Danke.