Frage vom 24.03.2011 Wer setzt die Grenzwerte für Strahlung fest?
Verletzte Arbeiter am AKW Fukushima, belastetes Trinkwasser und Gemüse - die Strahlenbelastung in Japan ist derzeit täglich ein Thema. Die Angst vor einer Überdosis verängstigt viele Japaner - und auch Deutsche. Doch wer setzt eigentlich die Grenzwerte für Strahlung fest?
Weltweit beschäftigt sich die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) mit solchen Grenzwerten. Das ist eine Organisation, in der mehr als 200 Wissenschaftler aus 30 Ländern zusammenarbeiten und Empfehlungen abgeben, auf die sich wiederum die Staaten meist beziehen. Die ICRP unterscheidet zwischen der normalen Bevölkerung und dem grundsätzlichen Schutz vor Strahlenwirkungen und Werten in Notsituationen, die zumindest akute Schäden vermeiden sollen. Dabei ist unstrittig, dass jede radioaktive Strahlung Schäden an Zellen hervorrufen kann und damit Genveränderungen und Krebs. Nach Angaben der Kommission steigt die Wahrscheinlichkeit dafür mit jedem Sievert aufgenommener Strahlung (oberhalb der natürlichen Strahlung) um 5%.
Direkte Schäden treten laut ICRP erst ab 100 mSv auf
Diese gradlinige Annahme ist nicht unumstritten. Kritiker vermuten, dass gerade kleine Strahlenmengen anteilig größere Wirkungen haben. Die ICRP unterscheidet zwischen Dosisgrenzwerten und Referenzwerten. Beim ersten geht es darum: wie viel Strahlung sollte ein Mensch maximal im Lauf der Zeit abbekommen. Beim zweiten: wie viel darf man ihm in einer Notfall-Situation gerade noch zumuten. Dabei schlägt die Kommission vor, dass Einsatzkräften und der Bevölkerung bei Notfällen in Kernkraftwerken nur maximale Strahlenmengen von 100 Millisievert zugemutet werden sollten (gilt für einen Einsatz wie auch als Gesamtmenge für ein Jahr). Die japanische Regierung hat diese Empfehlung sogar unterschritten und 50 mSv festgelegt - bis zu dem Unfall jetzt. Schlagartig dürfen die Arbeiter jetzt bis zu 250 mSv Strahlung bei einem Einsatz abbekommen. Das ist deutlich mehr als ICRP empfiehlt und geht direkt in den Bereich akuter Schädigung hinein.
Diese Empfehlungen leiten die Wissenschaftler aus Beobachtungen vor allem nach den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki und anderen Strahlenunfällen ab, aber auch aus zellbiologischen Untersuchungen. Direkte Schäden, so ist die Argumentation treten erst oberhalb von 100 mSv auf. Für die Dauerbelastung in „normalen“ Zeiten gilt ein Dosisgrenzwert von 1mSv im Jahr durch menschlich verursachte Strahlung. Er soll eben auch Folgeschäden wie Krebs und Schäden am Erbgut vermeiden helfen.
Nahrungsmittel, Luft und Wasser werden in Becquerel gemessen
Das alles hat die Menge an Strahlung im Auge, die auf einen Körper einwirken. In der Praxis trägt aber nicht jeder einen Dosimeter auf dem Bauch und kann ablesen, was ihn trifft. Wir werden „bestrahlt“, essen radioaktive Teilchen mit, atmen sie ein und so weiter. Deshalb gibt es auf der anderen Seite Grenzwerte für Nahrungsmittel und die Luft, das Wasser. Die werden in Becquerel gemessen (die Einheit beschreibt, wie viele Atomkerne eines radioaktiven Stoffes in einer Sekunde im Schnitt zerfallen). Die Becquerel –Werte werden dann so festgelegt, dass ein „normaler“ Mensch bei normalen Ess- und Lebensgewohnheiten im Jahresmittel nicht über die Grenze von 1mSv kommt – eben den Dosisgrenzwert. Die Becquerel-Grenzen werden dann noch mal für verschiedene radioaktive Stoffe getrennt festgelegt, das macht die Sache nicht eben übersichtlicher. Da wird sehr genau gerechnet, aber am Anfang stand eine Festlegung: wie viel muten wir den Menschen zu?
Die Umsetzung in deutsches Recht steht in der Strahlenschutzverordnung. Die Grenzwerte für Lebensmittel werden EU-weit festgelegt. Eine kritische Analyse von Lebensmittelbelastungen in der Praxis findet sich hier.