Frage vom 01.04.2011 Warum Sicherheit immer relativ ist
Kein deutsches Kernkraftwerk hält dem Absturz eines Passagierflugzeugs stand - eine Gewissheit, die durch Fukushima weder größer noch kleiner wurde. Aber warum wird erst jetzt über das Restrisiko bei der Atomenergie debattiert?
Sicherheit gibt es nicht am Stück – nur geschnitten. Das will heißen: Sicherheit ist immer relativ. Die japanischen Kraftwerke – das haben wir gelernt – waren für Erdbeben der Stärke 8,5 ausgelegt. Es kam 9. Fukushima war gegen fünf Meter hohe Wellen geschützt – sie waren höher. Auch in Deutschland gibt es Annahmen zur Sicherheit und die sind auch nicht geheim.
Es braucht also weder Enthüllungsjournalisten noch neue Untersuchungen, um das heraus zu kriegen. Das kann man schon lange etwa beim kerntechnischen Ausschuss des Vereins Deutscher Ingenieure nachlesen. Auch dass die eigenen Kernkraftwerke die sichersten der Welt seien, ist nur ein gern gehörtes Vorurteil. Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen 2006 lapidar festgestellt, dass jedenfalls Biblis A und B, Neckarwestheim und Brunsbüttel „nicht zu den weltweit hochmodernsten und sichersten Atomkraftwerken“ gehören – und: „Sie entsprechen nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik“.
Absolute Sicherheit kann es nicht geben
Keines der deutschen Kernkraftwerke ist dafür ausgelegt, dem Absturz eines Passagierflugzeugs stand zu halten. Bei einigen könnte der Reaktor nicht einmal einer leichten Militärmaschine widerstehen. Außerdem werden Sicherheitseinrichtungen nur für jeweils ein einzelnes Versagen berechnet. Eine Kombination zweier Ereignisse – wie Erdbeben plus Tsunami in Japan – ist nicht vorgesehen. Bei der Erdbebensicherheit wurde eine Stärke zu Grunde gelegt, die einmal in 100.000 Jahren eintritt. Ein solches Beben kann aber auch morgen schon eintreten. Richtig ist: das wurde von Politikern nicht immer genau so deutlich gesagt. Auch wenn der Maßstab nicht der richtige ist, fällt mir immerzu als Vergleich Blüms Satz ein „die Rente ist sicher!“.
Absolute Sicherheit kann es nicht geben. Die Frage ist also immer, was eine Gesellschaft bereit ist zu akzeptieren. Da kann man nach wie vor unterschiedlicher Auffassung sein. In Kenntnis aller Fakten abwägen. Diese Fakten wurden bislang als „Restrisiko“ umschrieben. Dieses Risiko ist durch Fukushima weder größer noch kleiner geworden. Nur anschaulicher.
Ergänzung am 4.4.11: Danke an die vielen Kommentatoren mit ihren unterschiedlichen Auffassungen und den wertvollen sachlichen Ergänzungen.
Was die Aussage zu den Passagierflugzeugen betrifft haben wir als Kommentar 154 eine Ergänzung eingestellt. Dort steht: Der VDI-Artikel sagt klar, dass fünf Atomkraftwerke nun gar nicht gegen Abstürze gesichert sind. Z.B Biblis A, das nur ein paar Kilometer vom Flughafen Frankfurt weg ist. Vier weitere sind nur für den Absturz eines Starfighter ausgelegt, für den die Übertragung auf Verkehrsflugzeuge nicht gilt. Die Annahme, dass die Auslegung gegen den Absturz eines Phantom-Flugzeugs in etwa dem Aufschlag eines mittelgroßen Verkehrsflugzeugs entspricht ist korrekt. Tatsächlich ist aber kein Kernkraftwerk darauf hin ausgelegt worden. Das ist in diesem Punkt tatsächlich nur eine Annahme der Ingenieure. Und zumindest in diesem Punkt gibt es andere.
Hier steht, dass schon bei Maschinen vom Typ eines A320 das Durchschlagen eines Reaktorgebäudes nicht ausgeschlossen werden kann.