Widerstand gegen Rentenreform Streiks bremsen Frankreich aus
In Frankreich geht der Streit um die Rentenreform in die nächste Runde: Massive Streiks führen zu Problemen im Bahn- und Nahverkehr, Flüge fallen aus, auch bei der Müllabfuhr und an Schulen ruht die Arbeit. Die Gewerkschaften wollen das ganze Land lahmlegen.
In Frankreich sorgt ein Aktionstag der Gewerkschaften gegen die geplante Rentenreform für erhebliche Störungen unter anderem im Bahn-, Nahverkehr und an den Flughäfen. Ein Fünftel der Flüge am Pariser Flughafen Charles de Gaulle und etwa ein Drittel der Flüge am Flughafen Orly wurden gestrichen.
Der Zugverkehr nach Deutschland und Spanien soll voraussichtlich eingestellt werden; die Zahl der Züge von und nach Großbritannien werde um ein Drittel reduziert, wie die staatliche Eisenbahngesellschaft Frankreichs SNCF mitteilte. Auch der Pariser Metroverkehr ist stark eingeschränkt.
Verkehrsminister Clement Beaune rechnete mit Störungen, wie es sie bei Streiks bisher nur selten gegeben hat. Für viele Reisende werde es große Schwierigkeiten geben, sagte Beaune.
Öffentlicher Dienst, Schulen und Hochschulen blockiert
Es wird erwartet, dass 60 Prozent des Lehrpersonals an Grundschulen und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, etwa der Müllabfuhr, streiken. Die Behörden forderten die Menschen auf, nach Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten. Romain, Müllmann aus Montpellier, sagte der ARD: Heute Abend wird die Stadt voller Müll sein. Wir wollen, dass die Rentenreform zurückgezogen wird oder dass zumindest die Schwere unserer Arbeit anerkannt wird: Wir waren während Corona da, wir sind nachts da, im Sommer wie im Winter und wir können so nicht weitermachen."
Auch Schüler und Studenten machen mit. Louis Boyard, Abgeordneter der im Parlament stark vertretenden Linksaußen-Partei LFI, hatte auch Schüler und Studenten zu Blockaden aufgerufen, denn die Reform betreffe auch junge Leute. Sie sollen Fotos ihrer Aktionen in den Sozialen Medien posten. Der Gewinner bekommt ausgerechnet eine Führung durch die Nationalversammlung.
Der wohl größte Streiktag seit den 1990er-Jahren
Nach Angaben der Gewerkschaft CGT wurde an sämtlichen Raffinerien des Landes die Auslieferung von Kraftstoff blockiert. Seit dem Morgen wird kein Kraftstoff mehr an den Tankstellen ausgegeben. Lkw-Fahrer und Speditionen streiken, seit Montag werde nichts mehr ausgeliefert. Das könnte zu Engpässen in den Supermärkten führen, berichtet ARD-Korrespondentin Sabine Rau aus Paris. Es könnte der größte Streiktag seit den 1990er-Jahren werden. In verschiedenen Aufrufen heißt es, der Protest solle "Frankreich zum Stillstand bringen".
Proteste und Streiks auch am Mittwoch
Auch am Mittwoch soll weiter gestreikt werden. Die Gewerkschaften drohten auch für die kommenden Tagen mit punktuellen Streiks im Bahnverkehr und in Ölraffinerien. Sie hoffen, mit ihrer bisher größten Machtdemonstration in dem Streit den Druck auf Macron zu erhöhen.
Frankreichs Regierung will das Alter für den regulären Beginn der Rente schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Außerdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Die Reform gilt als eines der zentralen Vorhaben Macrons.
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer nicht lang genug eingezahlt hat, um Anspruch auf eine volle Rente zu haben, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen.
Die Streiks in Frankreich ziehen sich bereits seit Monaten hin. Die Zustimmung in der Bevölkerung ist relativ hoch, berichtet Sabine Rau. "Französische Soziologen sagen, Franzosen haben ein nicht sehr entspanntes Verhältnis zur Arbeit, Arbeit wird als Zumutung empfunden", so Rau. "Die Erhöhung des Renteneintrittsalters wird von den meisten Menschen abgelehnt."
Borne appelliert an Bevölkerung
Elisabeth Borne, die Premierministerin, hat es gestern Abend noch einmal mit einem Appell versucht. Klar müssten nach der Reform alle etwas länger arbeiten, aber dafür werde in einer alternden Gesellschaft auch das System der Umverteilung erhalten und das sei doch schließlich das Symbol für die Solidarität im Land.
Im Moment berät das Parlament über die Reform. Macron hat angekündigt, trotz aller Proteste an seinen Plänen festhalten zu wollen.
Mit Informationen von Stefanie Markert, ARD-Studio Paris