Mutmaßlicher Giftgasangriff OPCW will Experten nach Syrien schicken
Experten der OPCW sollen prüfen, ob in Duma Giftgas eingesetzt wurde. Eine neue Untersuchungskommission aber blockierte Russland im UN-Sicherheitsrat. Frankreichs Präsident Macron erwägt eine militärische Reaktion.
Die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) will eigene Experten nach Syrien schicken, um die Vorwürfe über den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Duma zu prüfen. Die Organisation bat eigenen Angaben zufolge die syrische Regierung, die notwendigen Voraussetzungen für eine solche Reise zu schaffen. Wann das OPCW-Team aufbrechen soll, stehe aber noch nicht fest.
Syrien und Russland laden Experten ein
Die syrische Nachrichtenagentur Sana hatte zuvor bereits berichtet, Präsident Bashar al-Assad habe sich selbst für Untersuchungen der OPCW ausgesprochen und Mitarbeiter der Organisation eingeladen, nach Duma zu reisen. Auch Russland hatte sich dafür ausgesprochen, dass die OPCW die Vorwürfe über den Chemiewaffeneinsatz aufklärt. Die Organisation solle "endlich damit anfangen, die Funktionen auszuüben, für die sie geschaffen wurde", sagte Jewgeni Serberennikow vom Verteidigungsausschuss des Föderationsrats der Nachrichtenagentur Ria Nowosti.
Syrien und sein Verbündeter Russland dementieren beide, dass in Duma Giftgas eingesetzt wurde. Hilfsorganisationen, die in der Rebellenhochburg aktiv sind, hatten am Samstag berichtet, eine Fassbombe mit Gas sei abgeworfen worden. Die sogenannten Weißhelme hatten von bis zu 150 Toten gesprochen, nun korrigierten sie die Zahlen jedoch stark nach unten auf mindestens 42 Todesopfer und rund 500 Verletzte. Die Vereinten Nationen sprechen derzeit von 49 Toten.
Die syrische und die russische Regierung hatten die Berichte als "falsche Anschuldigungen" und gewollte Provokationen zurückgewiesen, mit denen die Rebellengruppen in Duma über die herben Rückschläge im Kampf um die Region Ost-Ghouta hinwegtäuschen wollten.
Auch Macron erwägt militärisches Eingreifen
Doch viele westliche Staaten machen Syrien und Russland für den möglichen Giftgaseinsatz verantwortlich. "Was wir glauben zu wissen ist, dass es eine Form von chemischer Waffe war, die bei diesem Angriff in Syrien eingesetzt wurde, und dass mindestens 85 Menschen getötet wurden, von denen wir bisher wissen", sagte US-Außenministeriumssprecherin Heather Nauert.
Die USA wüssten, dass irgendeine Substanz benutzt wurde - "wir wissen nur noch nicht welche genau", sagte Nauert. Sie fügte hinzu: "Es ist klar, dass chemische Waffen benutzt wurden."
US-Präsident Donald Trump hatte zuvor die "abscheuliche Tat" verurteilt und eine "harte Antwort" angekündigt. Wie diese aussehen soll, ließ die Regierung in Washington bislang offen - sie hatte jedoch auch militärische Schritte nicht ausgeschlossen. Trump sagte nun eine Reise nach Peru und Kolumbien ab, die am Ende der Woche angesetzt war. Er wolle in Washington bleiben, um die Reaktion der USA festzulegen.
Rückhalt für ein mögliches militärisches Eingreifen erhielt Trump vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Er führte eventuell Angriffe auf "chemische Kapazitäten" an, betonte aber, dass eine Entscheidung erst in den nächsten Tagen fallen werde. Bereits in der Vergangenheit, etwa bei dem Einsatz von Giftgas im syrischen Chan Scheichun, hatte Macron Chemiewaffen als "rote Linie" bezeichnet - und ebenfalls mit militärischen Reaktionen gedroht.
Russland schmettert neues Expertengremium ab
Die USA hatten bei einer Sondersitzung des Sicherheitsrates der UN am Montagabend einen Resolutionsentwurf eingebracht, in dem sie fordern, eine neue Untersuchungskommission namens UNIMI einzusetzen. Das Gremium solle aufklären, wer in Syrien toxische Chemikalien wie Giftgas einsetze. Bislang lag solche Aufklärungsarbeit in den gemeinsamen Händen der OPCW und des zu den UN gehörenden Joint Investigative Mechanism (JIM). Deren Mandat lief jedoch im November aus: Russland hatte mit seinem Veto im Sicherheitsrat die Verlängerung verhindert.
Und auch den Vorstoß für ein neues Expertengremium schmetterte Russland im UN-Sicherheitsrat mit seinem Veto ab. Der Entwurf der USA enthalte "einige inakzeptable Elemente", begründete der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja den Widerspruch.
Syrische Armee in "höchster Alarmbereitschaft"
Für viele Staaten, darunter Großbritannien und Deutschland, ist der Einsatz von Giftgas quasi erwiesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte erneut, dass "die Evidenz" für Chemiewaffen "sehr, sehr klar und sehr deutlich ist". "Es ist schon erschütternd, muss ich sagen, dass nach so vielen internationalen Diskussionen und Ächtungen immer wieder dort Chemiewaffen eingesetzt werden. Und davon müssen wir leider ausgehen", fügte Merkel hinzu und forderte die UN auf, diesbezüglich eine "sehr deutliche Sprache" zu sprechen.
Bundeskanzlerin Merkel zufolge ist es "sehr, sehr deutlich", dass in Duma Giftgas eingesetzt wurde.
Die syrische Regierung versetzte unterdessen ihre Armee "in höchste Alarmbereitschaft", um auf eventuelle Angriffe - vor allem vonseiten der USA - reagieren zu können. Das berichtet die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Mehrere Stützpunkte in verschiedenen Landesteilen seien zudem angesichts möglicher Angriffe vorsorglich geräumt worden, berichtet die Beobachtungsstelle.
"Die syrische Armee ist in voller Bereitschaft an allen Militärflughäfen, großen Stützpunkten in Damaskus und Außenbezirken, in Homs sowie in den Küstenregionen von Latakia und Tartus, aus Angst vor möglichen Angriffen der USA und anderer Staaten", sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman.