Satellitenaufnahme des Flughafens al-Shayrat (Archivbild Oktober 2016)
interview

US-Luftangriff in Syrien "Die Zeichen stehen auf Konfrontation"

Stand: 07.04.2017 12:15 Uhr

Der Einsatz von US-Marschflugkörpern hat eine politische Lösung im Syrien-Krieg erschwert, sagt ARD-Korrespondent Daniel Hechler. Im Gespräch mit tagesschau.de erklärt er, wem der Einsatz nutzt und was er für die Zivilbevölkerung bedeutet.

tagesschau.de: Wie verschieben sich durch den US-Einsatz die Kräfteverhältnisse im Syrien-Krieg?

Daniel Hechler: Es deutet manches darauf hin, dass dieser Militärschlag ein Dämpfer sein könnte für den Iran - einen der wichtigsten Verbündeten des Assad-Regimes. Iran versteht sich als Schutzmacht der Schiiten und verfügt deshalb über großen Einfluss im Jemen, im Libanon und natürlich auch in Syrien. Dagegen hat Saudi-Arabien heute ein wenig Morgenluft gewittert, nachdem das Land zuletzt doch etwas in der Defensive war. Saudi-Arabien gilt als Schutzmacht der Sunniten - und gleichzeitig als Erzrivale des Irans. Der Luftschlag könnte dem Vormachtstreben des Irans also einen deutlichen Dämpfer verpassen und womöglich für Saudi-Arabien die Chance bieten, in der Region wieder mehr Fuß zu fassen.

Daniel Hechler
Zur Person

Daniel Hechler berichtet für die ARD aus Kairo. Nach seiner Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule fing er 1998 als Reporter, Redakteur und Moderator beim SWR an. Auslandserfahrung sammelte er unter anderem in Südamerika und im südlichen Afrika.

tagesschau.de: Kann der Luftangriff Syriens Präsident Assad gefährlich werden?

Hechler: Momentan hört man vom Regime nur Durchhalteparolen. Am Vormittag hat ein Armeesprecher verkündet, dass der Kampf gegen die Terroristen weitergehe, dass man sie niederringen wolle und alles dafür tue, die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Der Gouverneur von Homs hat erklärt, dass die Regierung arbeitsfähig sei und es keinen Zweifel daran gebe, dass man am Kurs festhalte. Da hört man die Durchhalteparolen. Aber natürlich mag der ein oder andere im Regime nun die Befürchtung haben, dass dies nicht der letzte Luftschlag gewesen sein könnte und dass die militärischen Erfolge, die Assad in den letzten Monaten erzielt hat, damit wieder in Frage stehen. Insofern muss man ein bisschen abwarten, ob das ein einzelner Luftangriff war, der womöglich verpufft, oder ob der Druck hoch bleibt. Dann könnte auch der Druck auf Assad erheblich zunehmen.

tagessschau.de: Was bedeutet die neue Lage für die Zivilbevölkerung im Land?

Hechler: Die Zeichen stehen jetzt wieder verstärkt auf Konfrontation. Es ist ein guter Tag für die Opposition, die den Luftangriff begrüßt hat und weitere anmahnt. Assad und seine Verbündeten haben den Luftangriff hingegen verurteilt und vor weiteren Angriffen gewarnt. Der Kampf gegen die Rebellen soll unvermindert weitergehen. Insofern kann es sein, dass wir eine Eskalation am Boden sehen werden. Und darunter würde natürlich insbesondere die syrische Bevölkerung leiden.

Am Vormittag gab es auch Meldungen, dass es in der Provinz Homs erneut einen Giftgaseinsatz gegeben haben soll. Das ist derzeit noch völlig unbestätigt. Aber wenn es so sein sollte, wäre das ein weiteres Indiz dafür, dass eine weitere Eskalation zu erwarten ist.

tagesschau.de: Könnte diese Eskalation im Land eine neue Flüchtlingswelle auslösen?

Hechler: Je stärker die Kämpfe am Boden sind, je härter die Kämpfe durchgeführt werden, desto stärker leidet die Zivilbevölkerung. Natürlich erhöht das auch den Druck, diese umkämpften Gebiete zu verlassen und Schutz in anderen Ländern zu suchen. Insofern gibt es da natürlich einen kausalen Zusammenhang.

tagesschau.de: Hat der Einsatz eine politische Lösung in Syrien erleichtert oder erschwert?

Hechler: Zum jetzigen Zeitpunkt muss man sagen: Eher erschwert. Die Fronten scheinen verhärtet. Russland erwägt wohl mit seinen Verbündeten, wie man darauf reagieren kann. Es scheint sich abzuzeichnen, dass die Reaktion nicht defensiv, sondern offensiv ausfallen wird. Auch die Regierung hat ja angekündigt, den Kampf unvermindert weiterzuführen. Ich glaube daher, dass eine politische Lösung zum jetzigen Zeitpunkt schwieriger geworden ist.

Das Interview führte Julian Heißler, tagesschau.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten am 07. April 2017 tagesschau24 um 11:00 Uhr und die tagesschau um 12:00 Uhr.