Treffen der EU-Außenminister Neue Syrien-Sanktionen - Kritik am Jet-Abschuss

Stand: 25.06.2012 19:54 Uhr

Die EU-Außenminister haben sechs weitere Einrichtungen in Syrien auf eine schwarze Liste gesetzt. Zudem erhielt ein Vertreter des Assad-Regimes ein Einreiseverbot. Auf Kritik stieß der Abschuss eines türkischen Militärjets durch Syrien. Nun wurde bekannt, dass eine zweite Maschine ins Visier geraten war.

Die EU hat ihre Sanktionen gegen Syrien abermals verschärft, um die Regierung von Präsident Baschar als Assad zu einem Ende der Gewalt zu zwingen. Ein Regimevertreter sowie sechs Firmen und öffentlichen Institutionen wurden auf einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg auf die Schwarze Liste gesetzt. Das bedeutet ein Einfrieren der Konten in Europa und Einreiseverbote.

Unabhängig von der EU hatte zuvor bereits Australien neue Sanktionen gegen Syrien angekündigt. Die Strafmaßnahmen betreffen den Handel mit Öl, wertvollen Metallen, Finanzdienstleistungen und Telekommunikation, wie Außenminister Bob Carr mitteilte. Zuvor hatte Australien bereits ein Waffenembargo sowie Sanktionen gegen der Führung in Damaskus nahestehende Personen eingeführt.

Neue UN-Resolution in Arbeit

Bundesaußenminister Guido Westerwelle kündigte an, dass die Suche nach einer politischen Lösung in Syrien verstärkt werden soll. Es werde weiter an einer UN-Resolution gearbeitet, um den internationalen Druck auf Assad zu erhöhen.

Ziel der EU sei es, dass der Plan des UN-Sondergesandten Kofi Annan endlich umgesetzt werde, so Westerwelle. Eine militärische Intervention dafür wurde in Luxemburg aber weiter ausgeschlossen.

Fluchtwelle aus Damaskus

In Syrien selbst gehen die Truppen der Assad-Regierung offenbar weiter gegen die Bevölkerung vor. Aktivisten berichten, dass der anhaltende Beschuss der Vorstadt Duma bei Damaskus eine Fluchtwelle ausgelöst habe. So sollen Einwohner mit schwer beladenen Kleinbussen und Autos den Ort verlassen haben.

Syrischer General und 38 Soldaten übergelaufen

Auch aus der syrischen Armee setzen sich offenbar immer mehr Militärs ab. Wie das türkische Staatsfernsehen meldete, liefenn jetzt ein General, zwei Majore, zwei Oberste, ein Leutnant sowie 33 Soldaten mit ihren Familien ins Nachbarland über. Damit sind seit Ausbruch des Aufstands in Syrien bisher 13 Generäle in die Türkei geflohen. Die Gesamtzahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei liegt inzwischen bei rund 33. 000.

Abschuss des türkischen Kampfjets verurteilt

Als zweites Thema beschäftigte der Abschuss des türkischen Kampfjets durch die syrische Armee die EU-Außenminister, den sie heftig kritisierten.

Das Verhalten der syrischen Kräfte sei "in keiner Weise akzeptabel", sagte Westerwelle. "Selbst wenn es eine vorübergehende Verletzung des Luftraums Syriens gegeben haben sollte, so rechtfertigt das einen solchen Abschuss nicht. Das ist unverhältnismäßig, zumal ohne jede Vorwarnung dieser Abschuss getätigt worden ist." Alle hätten ein Interesse daran, dass sich die Situation nicht weiter zuspitze. "Deeskalation ist entscheidend", betonte Westerwelle.

Auch sein französischer Amtskollege Laurent Fabius nannte den Abschuss "nicht hinnehmbar". Großbritanniens Außenminister William Hague fügte hinzu: "Ich verurteile diese Handlung zutiefst." Der niederländische Außenminister Uri Rosenthal sagte, die Geschehnisse der letzten Tage müssten "sehr ernst" genommen werden und seien daher auch auf Anfrage der Türkei Thema von Beratungen der NATO. Die Militärallianz will auf Anfrage der Türkei am Dienstag zu einer Krisensitzung zusammenkommen und auf der Grundlage von Artikel 4 des NATO-Vertrags über den Fall beraten.

Artikel 4 des NATO-Vertrags
Der Artikel 4 des NATO-Gründungsvertrages vom 4. April 1949 hat laut offizieller Übersetzung folgenden Wortlaut:
"Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist."

Der sogenannte NATO-Bündnisfall nach einem Angriff auf ein Mitglied der Militärallianz wird in Artikel 5 geregelt.

Zweite Maschine ins Visier genommen

Inzwischen bestätigte der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bülent Arinc Berichte, wonach die syrische Luftabwehr nach dem Abschuss des Militärjets eine zweite türkische Maschine ins Visier genommen habe. Ein zu der Absturzstelle entsandtes Suchflugzeug der türkischen Armee sei vom Radar der syrischen Luftabwehr erfasst worden und habe deshalb abgedreht. Ob das Rettungsflugzeug getroffen wurde, sagte Arinc nicht.