Mehr als 3000 Tote bei Gewalt in Syrien UNO schlägt Alarm, Siemens macht weiter Geschäfte
Mehr als 3000 Menschen sind dem Protest gegen das syrische Regime bereits zum Opfer gefallen. Die UN-Menschenrechtskommission zählt weitere Verbrechen auf, weist aber keinen Weg zur Lösung der Krise. Siemens macht derweil weiter Geschäfte mit dem Regime.
Von Ulrich Leidholdt, ARD-Hörfunkstudio Amman
Klare Worte aus Genf: Die Welt müsse ohne Wenn und Aber die syrische Bevölkerung schützen, so der Hilferuf der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Er spiegelt gleichermaßen die Gewalt des Regimes und die Ohnmacht der internationalen Gemeinschaft.
Mehr als 3000 Tote in sieben Monaten Aufstand gegen Assad, so lauten neueste Zahlen der UNO. 187 Kinder unter den Toten. Allein 100 Opfer in den vergangenen zehn Tagen. Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay zieht eine Zwischenbilanz des Grauens: Tausende verhaftet, inhaftiert, verschwunden und gefoltert. Familienangehörige verfolgt, bedroht, verprügelt und eingeschüchtert. Scharfschützen schießen von Dächern auf friedliche Demonstranten, Panzer feuern auf Wohnviertel. Das ist Gewalt-Routine in Syrien.
Protest zunehmend gewalttätig
So paradox es klingt: Je mehr Soldaten desertieren, desto größer wird die Gefahr eines Bürgerkriegs. Demonstranten riefen heute zur Unterstützung der "freien Soldaten" auf, die das Regime mit Waffen bekämpfen. Offenkundig schreiben Deserteure und Aufständische den friedlichen Protest zunehmend ab. Syrische Menschenrechtler berichten, bei den jüngsten Kämpfen seien unter 36 Toten 25 Soldaten gewesen.
Gleichzeitig unterstützen viele Syrer Präsident Baschar al Assad, nicht nur seine allawitische Minderheit oder Christen, auch das sunnitische Bürgertum. Die Menschen hätten Angst vor einem Bürgerkrieg, urteilt Nir Rosen, ein Autor, der gerade sieben Wochen in Syrien war. "Das syrische Fernsehen diffamiert die Opposition geschickt als religiöse Sektierer und Terroristen. Gewalt gibt es auch von dieser Seite. Die Leute haben Angst", so Rosen. "Das Regime impft ihnen ein: 'Wenn wir fallen, gibt es Bürgerkrieg wie im Irak oder Libanon.' Deshalb ertragen die Leute ein korruptes, brutales Regime, denn die Alternative ist in ihren Augen noch viel schlimmer."
Siemens macht Geschäfte mit Syrien
Ungeachtet des täglichen Terrors und schärferer EU-Sanktionen gegen Assad macht Siemens weiter Geschäfte mit Syrien. Am selben Tag, an dem die Syrische Handelsbank isoliert wird - sie hält das Gros der geschätzt 17 Milliarden Dollar Reserven - macht der deutsche Konzern einen 300-Millionen-Deal zur Erweiterung des Nassirija-Kraftwerks bei Damaskus. Siemens rechtfertigt sich mit der Einhaltung früherer Verträge.
Die UNO hat Beweise für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien, Exekutionen eingeschlossen. 50 Verdächtige stünden auf einer vertraulichen Liste. Was die Welt gegen Assad tun könne lässt die Menschenrechtskommission offen. Das sei Sache von Staaten, ein Eingreifen wie in Libyen die des Sicherheitsrats.
Louay Safi vom kürzlich gegründeten Syrischen Nationalrat, einer Vertretung der Opposition, hat hierzu eine klare Haltung, auch zu Geschäften mit dem Regime wie von Siemens: "Intervention ist nicht der richtige Weg. Das führt zu Chaos und Bürgerkrieg. Das Regime wird fallen, wenn die Menschen sich weiter friedlich widersetzen und die Welt aufhört, es weiter zu unterstützen."
So bleibt der noch immer größtenteils gewaltfreien Opposition nur der gefährliche Straßenprotest und die unveränderte Forderung, Assad müsse weg.