US-Präsident im Kongress Wie viel Wahrheit steckt in der Trump-Rede?
Eine Trump-Rede bedeutet immer auch Überstunden für die Faktenchecker. Da machte sein Auftritt vor dem Kongress keine Ausnahme. Wie hielt es der US-Präsident diesmal mit der Wahrheit? tagesschau.de hat einige seiner Aussagen überprüft.
Das Urteil der Opposition war schnell gefällt: "51 Lügen in 61 Minuten" twitterte die Lobbygruppe CAP Action kurz nach dem Ende der ersten Rede von US-Präsident Donald Trump vor beiden Kammern des amerikanischen Kongresses. Bald darauf verschickte sie auch ein Dokument, in dem alle vermeintlichen Lügen des Staatsoberhaupt aufgeführt waren - versehen mit den vermeintlichen Richtigstellungen.
51 Lügen in 61 Minuten. Das sind Zahlen, die gut ins Bild von Trump als notorischem Lügner passen. Dieser Vorwurf lässt sich durchaus mit Zahlen unterlegen. So überprüfte das amerikanische Rechercheprojekt Politifact in den vergangenen Monaten mehr als 370 Aussagen des 45. US-Präsidenten auf ihren Wahrheitsgehalt. Das Ergebnis: 70 Prozent der geprüften Behauptungen waren teilweise oder vollkommen falsch. Zum Vergleich: Bei Trumps Amtsvorgänger Barack Obama betrug diese Zahl 26 Prozent.
Hat Trump also wirklich alle knapp 72 Sekunden gelogen, als er gestern im Kapitol die Agenda für seine Präsidentschaft vorlegte? Ganz so einfach ist es nicht. Für viele seiner Aussagen lassen sich durchaus Belege finden. Allerdings sind diese nicht selten aus dem Zusammenhang gerissen oder einseitig ausgelegt. Und manches ist auch schlicht falsch. Eine Auswahl.
"94 Millionen Amerikaner sind nicht Teil der erwerbstätigen Bevölkerung."
Diese Zahl ist zunächst einmal korrekt. Sie führt jedoch auch in die Irre. Denn sie schließt sämtliche Amerikaner ein, die älter als 16 Jahre alt sind und derzeit nicht arbeiten. Damit umfasst sie auch Schüler und Studenten, Rentner und Eltern, die derzeit nicht nach Arbeit suchen. Das macht die Zahl kaum geeignet, um Rückschlüsse auf die Situation am amerikanischen Arbeitsmarkt zu ziehen.
Dieser steht offiziellen Zahlen zu Folge übrigens gut da. Laut dem Bureau of Labor Statistics betrug die Arbeitslosenquote in den USA im Januar 4,8 Prozent - das entspricht 7,6 Millionen Menschen ohne Job. Allerdings ist auch diese Zahl problematisch, denn sie bezieht nicht die Menschen mit ein, die eigentlich eine Arbeitsstelle wollen, aber die Suche danach aufgegeben haben. Doch deren Anteil an den zitierten 94 Millionen Amerikanern wird als gering eingeschätzt.
"Laut der Akademie der Wissenschaft kostet das derzeitige Einwanderungssystem den amerikanischen Steuerzahler viele Milliarden Dollar pro Jahr."
Hier vereinfacht der US-Präsident. Im Akademie-Bericht steht, dass Einwanderer "sich an den Finanzen der Regierung beteiligen, indem sie Steuern zahlen und Aufwendungen in Anspruch nehmen, indem sie öffentliche Dienstleistungen nutzen". Weiter steht im Bericht, dass die erste Generation von Einwanderern den Staat zwar mehr koste als im Land geborene, er kommt jedoch auch zu dem Schluss, dass die Kinder von Einwanderern zu dem Teil der Bevölkerung zählen, der am stärksten zu Wirtschaft und Steuereinnahmen beiträgt.
"Seit fast einem halben Jahrhundert ist die Mordrate in keinem Jahr so stark angestiegen wie 2015."
Das ist richtig. Laut FBI-Kriminalitätsstatistik gab es im Jahr 2015 insgesamt 15.696 Morde in den USA - ein Anstieg von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dieser prozentual hohe Anstieg hat jedoch mit dem starken Rückgang an Verbrechen zu tun, den die USA seit mehreren Jahren erleben. Zum Vergleich: Im Jahr 1991 wies die FBI-Statistik noch 24.703 Morde aus. Die Zahl der Gewaltverbrechen in Amerika ist also stark gesunken - auch wenn der Ausschlag von 2015 etwas anderes nahe legt.
"Obamacare ist gescheitert. Das Obamacare-Desaster fällt in sich zusammen."
Es gibt Probleme mit dem 2010 eingeführten Gesetz zur Gesundheitsvorsorge. Ob das System in sich zusammenfällt, ist aber stark umstritten. Trump und viele Republikaner im Kongress möchten das ganze Gesetz außer Kraft setzen - was die Gesundheitsversorgung von Millionen Menschen aufs Spiel setzt, sollte der Ersatz nicht richtig funktionieren. Obamacare hat Privatversicherungen gestützt und eine staatliche Option für Menschen mit geringerem Einkommen angeboten. So sind etwa 20 Millionen Amerikaner versichert.
"Seit meiner Wahl haben Ford, Fiat-Chrysler, General Motors, Sprint, Softbank, Lockheed, Intel, Walmart und viele andere angekündigt, Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten zu investieren und Zehntausende Jobs zu schaffen."
Zunächst einmal ist es richtig, dass diese Firmen angekündigt haben, in den USA zu investieren. Nur: Die entsprechenden Entscheidungen fielen zum allergrößten Teil bevor Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde. Fiat-Chrysler teilte etwa mit, dass Pläne des Unternehmens eine Milliarde Dollar in eine Firma in Michigan zu stecken seit mehr als einem Jahr vorbereitet wurden und unabhängig vom Wahlausgang waren. Andere Investitionen waren bereits vor dem Wahltag im November öffentlich angekündigt.
Trotzdem kommt Trump immer wieder auf dieses vermeintliche Verdienst seiner noch jungen Amtszeit zurück. So verkündete er vor wenigen Tagen bei einem Treffen mit mehreren Unternehmensvorständen, er habe mehr als 70.300 amerikanische Jobs gerettet oder geschaffen. Die Webseite "Medium" sah sich diese Aussage etwas genauer an und kam zu einem anderen Ergebnis. So seien fast alle der Arbeitsplätze bereits vor der Wahl gesichert oder angekündigt worden. Lediglich 1500 Jobs seien direkt auf Regierungsinitiativen zurückzuführen - 700 davon auf die Obama-Administration.
Die Jobzahlen sind nicht der einzige Fall, in dem sich Trump für Entscheidungen lobt, die vor seiner Amtszeit gefällt wurden. So behauptete er auch bei seiner gestrigen Rede wieder, er habe die Kosten für das Kampfflugzeug F35 um Hunderte Millionen Dollar gesenkt. Tatsächlich hatte das Pentagon die Kostenreduktion schon vor seiner Amtseinführung angekündigt.
"Laut Daten des Justizministeriums kam der allergrößte Teil von Personen, die wegen Verbrechen verurteilt wurden, die im Bezug zu Terrorismus stehen, aus dem Ausland."
Es ist nicht ganz klar, auf welche Daten Trump sich hier beruft, doch die zuletzt veröffentlichten Regierungsdaten zu diesem Bereich unterstützen seine Aussage nicht. Laut Heimatschutzministerium war etwas mehr als die Hälfte der von Trump angesprochenen Gruppe in den Vereinigten Staaten geboren. Ein entsprechender Bericht, der in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass 82 Personen von ausländischen Terrororganisationen zu Anschlägen in den Vereinigten Staaten inspiriert wurden. Gut die Hälfte dieser Menschen war in den USA geboren.
"Wir werden die Mittelklasse massiv von Steuerzahlungen befreien."
Trump hat bisher nur wenige Details preisgegeben, wie die Steuererleichterungen konkret aussehen sollen. Unabhängige Analysen seiner Vorschläge für Steuerreformen während des Wahlkampfes zeigten, dass die Vergünstigungen vor allem den reichen Familie zugutekämen.
Das wohlhabendste eine Prozent der Bevölkerung würde pro Jahr gut 200.000 Euro weniger zahlen. Die Mittelklasse bekäme jährlich eine Steuererleichterung von etwa 1010 Dollar (rund 954 Euro), wie das Zentrum für Steuerpolitik erklärte, ein Zusammenschluss der Denkfabriken Brookings Institution und Urban Institute.