Tschechische Entscheidung zu EU-Vertrag Aufatmen in Europa
Ein kollektives Aufatmen geht durch Europa. Mit dem Ja des tschechischen Senats zum Reformvertrag gibt es wieder Hoffnung, dass sich die EU nach jahrelangem Tauziehen auf eine neue Grundlage stellen kann. Erleichtert zeigten sich Kommissionspräsident Barroso und Kanzlerin Merkel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Entscheidung des tschechischen Senats begrüßt, den EU-Reformvertrag von Lissabon zu billigen. "Ich glaube, wir sind der Umsetzung und Durchsetzung dieses Vertrags heute ein gutes Stück nähergekommen", sagte Merkel. Mit der Entscheidung habe der Vertrag eine weitere wichtige Hürde genommen. Er stärke die Rechte der Nationalstaaten und verbessere die Möglichkeiten der Zusammenarbeit. "Und wir haben jetzt die Möglichkeit, im Juni mit der irischen Regierung darüber zu sprechen, wie dort ein zweites Referendum stattfinden kann", sagte die Kanzlerin.
Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte das "Ja" aus Tschechien. Kurz vor den Europawahlen sei dies "eine gute Nachricht für Europa und ein starkes Signal für das anstehende zweite Referendum in Irland", sagte er. Dem Ziel, den Vertrag bis Jahresende in Kraft zu setzen, sei Europa "ein gutes Stück näher gekommen".
"Ich bin sehr glücklich"
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte die Zustimmung des tschechischen Senats. "Das ist eine sehr gute Nachricht", heißt es in einer Erklärung Barrosos. "Ich bin sehr glücklich", fügte er hinzu. Die Entscheidung zeige das tschechische Interesse an einer demokratischeren, effizienteren und besser zusammenhaltenden Europäischen Union. Barroso erklärte, er hoffe, dass die noch ausstehenden verfassungsmäßigen Entscheidungen in Tschechien und in anderen EU-Staaten "so rasch wie möglich abgeschlossen werden".
Zustimmung bis zuletzt fraglich
54 der 79 anwesenden Senatoren votierten dafür, 20 dagegen, fünf enthielten sich. Nun muss noch der EU-kritische Staatschef Vaclav Klaus den Vertrag ratifizieren. Das Unterhaus hatte bereits im Februar mit knapper Mehrheit zugestimmt. Nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen die Regierung des inzwischen zurückgetretenen Ministerpräsidenten Mirek Topolanek Ende März war die Zustimmung des Senats bis zuletzt fraglich gewesen.
Ja aus allen EU-Staaten steht noch aus
Das Abkommen, das von allen 27 EU-Mitgliedern ratifiziert werden muss, soll die EU-Strukturen entscheidungsfähiger machen und damit für die Zukunft rüsten. Es gilt aber seit dem "Nein" der Iren bei einer Volksabstimmung im Sommer 2008 als gefährdet. Im Juni 2008 hatten 53,4 Prozent der irischen Wähler die EU-Reform abgelehnt und die Gemeinschaft damit in eine schwere Krise gestürzt. Ein weiteres "Nein" aus Tschechien hätte nach Meinung von EU-Kennern auf Jahre hinaus das Aus für den Versuch der Gemeinschaft bedeutet, sich eine effizientere Rechtsgrundlage zu geben.
Jetzt richten sich wieder alle Augen auf Irland: Dort steht im Herbst die zweite Volksabstimmung an. Auch Polen und Deutschland stecken noch im Ratifizierungs-Prozess: Hier fehlen noch die Unterschriften der Präsidenten. In Deutschland muss zudem das Bundesverfassungsgericht über eine Reihe von Klagen gegen das Vertragswerk entscheiden.