Deutsch-türkische Konsultationen "Das Gemeinsame überwiegt"
So aufwändig wie der türkische Ministerpräsidenten Davutoglu wird nicht jeder Regierungschef von Kanzlerin Merkel in Berlin begrüßt. Kein Wunder: Deutschland und die EU sind in der Flüchtlingskrise auf die Türkei angewiesen. Die wartet immer noch auf das versprochene Geld.
Man hatte viel zu besprechen. Eine halbe Stunde länger als geplant saßen die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu im Kanzleramt zusammen. Im Vorfeld hatte es ja Druck auf Angela Merkel gegeben, doch bitte nicht nur über Flüchtlinge zu reden, sondern auch Menschenrechte und Pressefreiheit einzufordern.
Nun ja, zumindest geredet habe man wohl darüber, so Merkel: "Wir haben natürlich auch durchaus kritische Fragen besprochen -so zum Beispiel , was die journalistische Arbeit anbelange, die auch in Deutschland diskutiert werde, oder die Frage der Verhältnismäßigkeit des Kampfes gegen die PKK. "Aber das Gemeinsame hat heute in den Beratungen doch sehr stark überwogen."
Beileid auf Deutsch
Und das Gemeinsame ist neben der Flüchtlingskrise auch der Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Wenige Tage nach dem tödlichen Anschlag auf deutsche Touristen in Istanbul beginnt Davutoglu die Pressekonferenz mit ein paar Worten auf Deutsch: "Bei diesem Anschlag haben wir leider Freunde aus Deutschland verloren. Sie waren unsere Gäste und sind jetzt unsere ewigen Freunde geworden. Wir trauern immer noch mit den Familien und den Angehörigen der Opfer."
Wenig später lobt der Ministerpräsident dann noch den deutschen Tornado-Einsatz im Kampf gegen den IS-Terror. Die Maschinen starten ihre Erkundungsflüge über Syrien von türkischem Boden. Aber für die Bundeskanzlerin steht heute ganz klar die Flüchtlingskrise an erster Stelle.
Die Milliarden sollen kommen
Merkel setzt darauf, dass die Türkei ihre Küste besser kontrolliert und Flüchtlinge von Griechenland zurück nimmt. Und sie braucht schnelle Erfolge. Dafür soll ja auch Geld fließen, betont die Kanzlerin noch einmal: "Wir werden von europäischer Seite die drei Milliarden zur Verfügung stellen. Das habe ich heute noch einmal zugesichert, um Projekte für Flüchtlinge, für die Verbesserung ihrer Lebenssituation auch zu realisieren."
Um den Zustrom syrischer Flüchtlinge nach Europa einzudämmen, gibt es seit November ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei. Die Vereinbarung verpflichtet die Regierung in Ankara zu einem besseren Schutz der Grenzen und zu einer Ausweitung des Kampfes gegen Schlepperbanden. Im Gegenzug zahlt die EU mindestens drei Milliarden Euro für die gut zwei Millionen Flüchtlinge in der Türkei. Zudem werden die Verhandlungen über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei und Gespräche zum visafreien Reisen beschleunigt.
Aber schon dabei hakt es ja. Unter anderem, weil Italien noch nicht mitziehen will. Auch feste Flüchtlingskontingente, die man den Türken abnehmen könnte, sind in der EU noch lange keine ausgemachte Sache. Und deshalb gab es von türkischer Seite zwar viele anerkennende Worte für Merkels Politik. Aber quasi in Vorleistung treten und den Deutschen das Problem abnehmen, das will man halt auch nicht. Viel hängt also davon ab, ob sich die EU-Staaten auf dem Gipfel im Februar zu einer gemeinsamen Haltung durchringen können. Die Kanzlerin wird alles versuchen, dass es so kommt. Und wenn nicht?
"Ich glaube, drei Monate nach der Inkraftsetzung des EU-Türkei-Aktionsplans kann man dann auch mal eine Zwischenbilanz ziehen und sagen: Was müssen wir jetzt weitermachen?", so Merkel. Das könnte heißen: Wenn die EU ihre Außengrenze zur Türkei nicht dicht bekommt, dann sind nationale Obergrenzen wohl kaum noch zu vermeiden.