Flüchtlinge in der Türkei "Griechenland, Griechenland, inschallah"
Noch sind die Grenzöffnungen nicht viel mehr als ein Gerücht. Doch für viele Flüchtlinge in der Türkei ist das bereits ein Versprechen: Hunderte haben sich in die Grenzregion zu Griechenland aufgemacht.
Durch den Bosporus sind heute zwei russische Kriegsschiffe gefahren. Das ist ein Bild, das die Istanbuler kennen. Aber in der aktuellen Lage wirkt es schon fast absurd. Denn in der Regel fahren diese Schiffe nach Syrien.
Die Lage zwischen der Türkei und Russland hat sich vergangene Nacht zugespitzt. Ankara macht zwar das syrische Regime für den Tod von 33 Soldaten in der Region Idlib verantwortlich. Aber Russland ist die Schutzmacht von Machthaber Bashar al-Assad.
Nur ein paar Kilometer westlich des Bosporus an einer Istanbuler Busstation ist die Aufbruchstimmung unter den Flüchtlingen groß: "Griechenland, Griechenland, inschallah, inschallah", ruft ein Afghane. "Nach Europa, nach Marseille will ich", sagt ein Sudanese. Ein Syrer träumt von Deutschland. Er sei alleine unterwegs und ohne Familie, sagt er.
Ausverkaufte Busse
Im Bus, der zwischen Istanbul und Edirne verkehrt, wartet schon der Fahrer. "Richtung Edirne ist gerade sehr viel Betrieb", sagt er. "Wir fahren hauptsächlich Flüchtlinge." Seit vergangener Nacht seien es richtig viel. "Wir setzen zusätzliche Busse ein, auch Doppeldecker." Momentan sei alles ausverkauft. "70 bis 80 Prozent der Fahrgäste sind Migranten."
Ein Passant beobachtet das. Er versucht zu erklären: "Gestern Nacht kam wohl diese Entscheidung: Die Grenzen sind jetzt offen", sagt er. "Ich denke, das ist gut für die Türkei und gut für die Flüchtlinge."
Flüchtlinge besteigen in Istanbul einen Bus, um an die Grenze zu fahren.
Offiziell gibt es nur Andeutungen
Offiziell gibt es bis jetzt nur Andeutungen. Der Sprecher von Präsident Erdogan, Fahrettin Altun, erklärte, der Türkei sei nichts anderes übrig geblieben, als die Grenzen durchlässig zu machen.
Gleichzeitig bekräftigte er, an ihrer Flüchtlingspolitik habe sich nichts geändert. Das lässt Raum für Interpretationen. Allerdings nicht für diesen Syrer:
"Wir sind jetzt hier, weil einige syrische Selbsthilfeorganisationen Busse organisiert haben", sagt er. "Man hat uns gesagt, dass die türkische Grenze jetzt wieder durchlässig sei für Flüchtlinge. Richtung Griechenland und Europa."
Flüchtlinge laufen im Bezirk Edirne in der Türkei Richtung griechischer Grenze.
Wenn's klappt, klappt's
Diese Busse würden kostenlos fahren. "Wir brechen auf, um es zu versuchen. Wenn's klappt, klappt's. Wenn nicht, dann eben nicht. Wir haben auf eine solche Chance gewartet. Für Europa, für eine bessere Zukunft."
Seit sechs Jahren lebt er in der Türkei und spricht gut Türkisch. Wie auch ein anderer Syrer, der schon seit acht Jahren hier ist:
"Ich habe keine Arbeit gefunden, das war sehr problematisch", sagt er. Jetzt will er nach Europa, wo er weiter studieren möchte. "Ich will eine Zukunft haben. Ich denke, da lässt sich was machen." Schon lange habe er auf diese Gelegenheit gewartet. "Ein paar Mal habe ich es über die grüne Grenze versucht, wurde aber immer wieder gefasst. Hoffentlich klappt's diesmal, nach acht Jahren Türkei."
Tränengas gegen Flüchtlinge?
Das türkische Fernsehen zeigt Bilder vom Grenzübergang Edirne im Westen der Türkei. Den hat Griechenland geschlossen. Ein Bus steht quer. Die griechischen Beamten setzten angeblich Tränengas gegen die Flüchtlinge ein.
Erdogans Sprecher Altun betonte, man werde Flüchtlinge nie als Waffe einsetzen - aber als Druckmittel? Recep Tayyip Erdogan will die Hilfe der Europäer und der NATO im Konflikt um Idlib und verlangt nach einer Flugverbotszone.
Der Zeitungsjournalist Mahmut Övür sagt im türkischen Fernsehen: "Die Türkei steht durch Millionen von Flüchtlingen an ihrer Grenze massiv unter Druck. Deswegen muss die Türkei in Idlib präsent sein und präsent bleiben."
Flüchtlinge warten im Niemandsland zwischen türkischer und griechischer Grenze.
Wir müssten auch internationale Unterstützung bekommen, sagt er. "Aber wenn die Türkei vor Ort nicht Fakten schafft und stark ist, wird niemand auf sie hören."
Bis Donnerstag hatte der russische Präsident kein Interesse an einem Treffen mit Erdogan, das für nächste Woche geplant war. Heute haben die beiden telefoniert und planen jetzt doch zusammenzukommen. Auch ein Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel steht unter anderem auf dem Plan von Erdogan. Nur im türkischen Fernsehen, in dem er sonst präsent ist, hat er sich zur aktuellen Lage noch nicht geäußert.