China zu Lagern für Muslime Verharmlosen, beschwichtigen, leugnen
Zum ersten Mal hat ein Vertreter von Chinas Kommunistischer Partei zu Vorwürfen Stellung bezogen, dass in Xinjiang Muslime in Umerziehungslagern interniert seien. Die Regierung setzt auf Beschwichtigung.
Es ist eine Situation, die es in China höchst selten gibt: Beim Volkskongress in Peking erhält ein britischer Reporter die Chance, den Regierungschef aus Xinjiang mit den jüngsten Aussagen der türkischen Regierung zu konfrontieren. Die hatte, bezogen auf die politischen Umerziehungslager für Muslime in Xinjiang, von Konzentrationslagern gesprochen.
"Einrichtungen wie Ausbildungsinternate"
Ob alle Zeugen in ihren Berichten über Misshandlungen lügen würden, fragt Tom Cheshire von "Sky News" den zweitmächtigsten Politiker Xinjiangs, Shohrat Zakir. "Die Ausbildungs- und Trainingszentren sind nicht das, was manche Medien behaupten", antwortet Zakir. "Dort werden keine Leute misshandelt oder ihrer Freiheit beraubt. In der Realität sind diese Einrichtungen wie Ausbildungsinternate. Einige behaupten, wir hätten so etwas wie Konzentrationslager oder Umerziehungslager. Aber das ist frei erfunden, absurd und lächerlich."
Verharmlosen, beschwichtigen, leugnen, lautet Chinas Strategie - trotz zahlreicher und gut dokumentierter Berichte über das Kontroll- und Umerziehungsregime gegen Uiguren und andere Muslime in Xinjiang. Laut Berichten von Opfern, Journalisten, Wissenschaftlern, westlichen Regierungen, der UN und Menschenrechtsorganisationen sind bis zu 1,5 Millionen Muslime in der chinesischen Nordwestregion in Lagern interniert. Darunter sind vor allem Uiguren, die mit rund zehn Millionen Menschen die Hälfte der Einwohner in Xinjiang stellen.
Xinjiangs Regierungschef Shohrat Zakir wies den Vorwurf zurück, dass in seiner Region Muslime misshandelt oder eingesperrt werden.
Kampf um die Deutungshoheit
"Das ist Chinas Antwort auf den wachsenden, internationalen Druck in den letzten Monaten", sagt Patrick Poon von der Organisation Amnesty International in Hongkong über Chinas Beschwichtigungs-Strategie.
Die chinesische Regierung behauptet, die Einrichtungen seien nur dazu da, die Menschen auszubilden. Aber de facto indoktrinieren sie die ethnischen Minderheiten. Sie sollen akzeptieren, dass sie Chinesen sind. Aber die Menschen in den Lagern werden zu den Lerninhalten gezwungen. Und wenn sie sich weigern, kommt es zu Misshandlungen und Folter. Das wissen wir von ehemaligen Insassen. Das ist sehr besorgniserregend, weil es überhaupt keine Transparenz gibt.
Nachdem China die Existenz der Umerziehungslager zunächst lange bestritten hatte, tobt nun der Kampf um die Deutungshoheit. Laut Vorschriften zur so genannten "Entradikalisierung" ist es lokalen Behörden in Xinjiang explizit erlaubt, als extremistisch eingestufte Muslime umzuerziehen. Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, ideologische Umerziehung und erzwungene Verhaltenskorrekturen - all das ist danach möglich.
Zahl der Insassen soll sinken
Zakir beschwichtigt: "Jeder in den Ausbildungs- und Trainingszentren lernt Schreiben und hat Sprachunterricht. Sie lernen vor allem Hoch-Chinesisch und machen tolle Fortschritte. Aber die Zahl der Menschen in diesen Einrichtungen wird kleiner und kleiner. Und wenn unsere Gesellschaft sie eines Tages nicht mehr brauchen sollte, verschwinden diese Einrichtungen."
Zum ersten Mal deutet ein hoher chinesischer Funktionär an, dass die Zahl der Insassen sinken könnte. Vielleicht auch, weil der internationale Druck auf China weiter steigt: Der US-Sonderbotschafter für Religionsfreiheit, Sam Brownback, rief vor wenigen Tagen zu einer unabhängigen Untersuchung und Freilassung der in Xinjiang inhaftierten Muslime auf. Ähnliches forderte vergangene Woche bereits der UN-Sonderbotschafter für Religionsfreiheit.