Einschätzungen zur Ukraine Hoffnungsschimmer und viel Schatten
Geht es in der Ukraine voran? Reformen in Justiz, bessere Korruptionsbekämpfung, eine bessere Wirtschaftslage geben aus Sicht von Martin Brusis von der Ludwig-Maximilians-Universität München Grund zur Hoffnung. Sorge bereiten ihm unter anderem die Kämpfe im Osten des Landes.
Das Minsker Abkommen scheint gescheitert, die Zivilbevölkerung im Osten der Ukraine ist in Gefahr, aber es gibt auch Hoffnungsschimmer für das Land - so schätzt zumindest Martin Brusis von der Ludwig-Maximilians-Universität München im Gespräch mit tagesschau24 die Situation in der Ukraine ein.
Die Reformen des Justizwesens und die Anstrengungen in der Korruptionsbekämpfung schätzt der Osteuropa-Experte Brusis als positiv ein. So habe der neue Generalstaatsanwalt im Parlament den Antrag gestellt, die Immunität von Oligarchen aufzuheben und so ihren Einfluss einzuschränken.
Ebenfalls positiv könnte sich die wirtschaftliche Lage entwickeln, meint Brusis. Nach einem Einbruch des Bruttoinlandsproduktes um zehn Prozent im vergangenen Jahr gebe es nun ein leichtes Plus.
Das Minsker Abkommen scheint gescheitert
Wenn man sich die Lage in der Ukraine anschaue, könne man sagen, dass das Minsker Abkommen gescheitert sei. Vertreter der ukrainischen Regierung, der Separatisten, der OSZE und Russlands hatten im September 2014 eine Waffenruhe für die Ostukraine beschlossen. Eigentlich, so Brusis, gebe es weder für die pro-russischen Separatisten noch für die Ukraine eine Alternative zu diesem Abkommen. Dennoch gebe es immer wieder Gefechte, viele in der Nähe von Ballungsräumen. Dadurch sei die Gefahr für die Zivilbevölkerung in der Ostukraine groß. Zahlreiche Menschen seien aus der umkämpften Region geflohen, aus Angst um ihr Leben, aber auch, da selbst Wasser und Strom fehle.
Neben der Waffenruhe, die von der OSZE überwacht werden soll, ist auch vom Abzug Bewaffneter die Rede. Die OSZE soll darüber hinaus auch die ukrainisch-russische Grenze permanent "überprüfen".
Ein weiterer, wichtiger Punkt ist die Einigung auf ein "Gesetz über einen Sonderstatus". Es soll die Einrichtung einer lokalen Selbstverwaltung in Donezk und Lugansk ermöglichen. Außerdem dient es als Basis für vorgezogene Kommunalwahlen in der Ostukraine.
Das Parlament in Kiew verabschiedete noch im September 2014 das entsprechende Gesetz. Es sah allerdings einen auf drei Jahre begrenzten Sonderstatus vor sowie Kommunalwahlen nach ukrainischem Recht, was die Separatisten ablehnten.
Angesprochen im Minsker Abkommen werden auch die Freilassung aller Gefangenen sowie eine Amnestieregelung. Zudem bekannten sich die Teilnehmer in Minsk zum Wiederaufbau der Ostukraine und bekundeten ihren Willen, einen nationalen Dialog fortzusetzen, der alle Seiten einschließt.
Unterzeichnet haben das Dokument die OSZE-Gesandte Heidi Tagliavini, der frühere ukrainische Präsident Leonid Kutschma, der russische Ukraine-Botschafter Michail Surabow sowie die Separatistenführer Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizki.
Am 12. Februar 2015 kam auf Initiative von Deutschland und Frankreich ein erneutes Waffenstillstandsabkommen zustande: Minsk II.
Die Tatsache, dass die Weltöffentlichkeit aktuell eher auf andere Konflikte und Themen schaue, ist ein weiterer Negativfaktor für die Ukraine. Brusis befürchtet, dass der Konflikt noch weiter eskalieren könnte. Die Anreize, zu versuchen, den Konflikt gewaltsam zu lösen, wachse auf beiden Seiten.
Was könnte eine Lösung des Konflikts sein?
Osteuropaexperte Brusis sieht mehrere Möglichkeiten, den Konflikt zu entschärfen. Er hält es für wichtig, dass die Ukraine eine klare Perspektive nach Europa bekomme. So könne zum Beispiel der Visazwang aufgehoben werden. Auch wirtschaftliche Unterstützung, gerade für kleine und mittlere Unternehmen sei wichtig. Und Brusis fordert, den Minsker Prozess zu stärken, das Parlament in Kiew einzubeziehen, damit die Chancen für einen Frieden in der Ostukraine steigen.