Nach Telefonat mit Putin Präsident Selenskyj kritisiert Kanzler Scholz scharf
Nach dem Telefonat zwischen Kanzler Scholz und Russlands Präsident zeigt sich die Ukraine verärgert. Gegen Putin helfe nur eiserne Isolation, erklärte Präsident Selenskyj. Scholz habe mit dem Gespräch die "Büchse der Pandora" geöffnet.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit seinem ersten Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seit fast zwei Jahren die Ukraine gegen sich aufgebracht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf dem SPD-Politiker vor, mit dem Telefonat die "Büchse der Pandora" geöffnet zu haben. "Das ist genau das, was Putin seit Langem will: Es ist extrem wichtig für ihn, seine Isolation zu schwächen", erklärte Selenskyj in Onlinediensten.
Die Redewendung vom Öffnen der Büchse der Pandora entstammt der griechischen Mythologie und symbolisiert ein Unheil, das - ist es erst mal in der Welt - nicht wiedergutzumachen ist.
Außenministerium in Kiew beklagt "Appeasement-Versuche"
Selenskyj bestätigte, dass Scholz ihn vorab über das Telefonat informiert habe. Zuvor hatte bereits das Außenministerium in Kiew erklärt, nötig im Umgang mit Putin seien "konkrete und starke Aktionen, die ihn zum Frieden zwingen, und nicht Überzeugungsarbeit und 'Appeasement-Versuche', die er als Zeichen der Schwäche sieht und zu seinem Vorteil nutzt".
Als "Appeasement" wird eine Politik der Besänftigung demokratischer Staaten gegenüber aggressiven, autoritär regierten Nationen bezeichnet. Der Ausdruck geht auf die gescheiterte Politik des britischen Regierungschefs Neville Chamberlain gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland vor dem Zeiten Weltkrieg zurück.
Selenskyj: Kein weiteres Minsk-Abkommen
Selenskyj betonte, die Ukraine brauche "echten Frieden". Es werde kein weiteres Minsk-Abkommen geben, fügte er mit Blick auf die beiden Minsker Vereinbarungen hinzu, die 2014 und 2015 nach intensiven diplomatischen Bemühungen Deutschlands und Frankreichs geschlossen worden waren. Berlin und Paris hatten damals gemeinsam versucht, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln.
Doch die Minsker Abkommen führten nicht zur Eindämmung des Konflikts im Osten der Ukraine. Beide Seiten machten sich gegenseitig für das Scheitern der Vereinbarungen verantwortlich.
Scholz: "Russland muss Bereitschaft zu Verhandlungen zeigen"
Scholz hatte Putin in dem Telefonat nach eigenen Angaben dazu aufgerufen, den "Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden und seine Truppen zurückzuziehen". Russland müsse Verhandlungen mit der Ukraine über einen "gerechten und dauerhaften" Frieden führen, schrieb der Kanzler im Onlinedienst X.
Inhaltlich bewegte sich Putin nicht: Der Kreml erklärte, ein Abkommen könne es nur geben, wenn Kiew die "neuen territorialen Realitäten" in der Ukraine anerkenne. Mit der Annexion der Halbinsel Krim 2014 und im Zuge des seit 2022 dauernden Angriffskriegs hat Russland in der Ukraine Fakten geschaffen und zählt rund 20 Prozent der Ukraine zu seinem Staatsgebiet. International wird das jedoch kaum anerkannt, da Moskau die besetzten Gebiete in der Ukraine völkerrechtswidrig annektiert und in sein Staatsgebiet integriert hat.
Scholz und Putin hatten zuletzt am 2. Dezember 2022 miteinander telefoniert. Gut neun Monate zuvor hatte Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet.