Krieg gegen die Ukraine Weiterer Abzug und weniger Luftangriffe
Nachdem die Ukraine die Rückeroberung der Region Kiew gemeldet hat, ziehen sich die russischen Truppen offenbar weiter zurück. Auch Luftangriffe soll es weniger geben. Kiews Chefunterhändler berichtete zudem von Zusagen Moskaus bei den Verhandlungen.
Nach dem russischen Truppenrückzug aus der Umgebung der ukrainische Hauptstadt Kiew berichtet die Ukraine von einem Rückgang russischer Angriffe. Der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte sagte, dass die Intensität der russischen Luft- und Raketenschläge abnehme. Moskau ziehe weiterhin Einheiten aus dem Norden der Ukraine ab. In einem Facebook-Post sagte er, dass die russischen Streitkräfte allerdings Minen auf Straßen und in einigen Siedlungen verlegten.
Präsident Wolodymyr Selensky rechnet nun mit verstärkten russischen Angriffen im Osten und Süden des Landes. "Was ist das Ziel der russischen Armee? Sie wollen sowohl den Donbass als auch den Süden der Ukraine erobern", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft in der Nacht. Moskau wolle nun dort "die Kontrolle über große besetzte Gebiete behalten", sagte der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak. Um den russischen Plänen entgegenzuwirken, werde die Abwehr der ukrainischen Streitkräfte in östlicher Richtung verstärkt, kündigte Selenskyj in der Nacht an. "Und das wohl wissend, dass der Feind Reserven hat, um den Druck zu verstärken."
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wieder können Menschen aus Mariupol fliehen
Zugleich verfolgten ukrainische Einheiten die nördlich von Kiew und bei Tschernihiw zurückweichenden russischen Truppen, sagte Selenskyj. "Sie beschießen sie. Sie vernichten jeden, den sie können." Zudem sorge der Kampf um die "heroische" Hafenstadt Mariupol dafür, dass große russische Verbände gebunden seien.
Von dort konnten sich nach Angaben der stellvertretenden ukrainischen Ministerpräsidentin am Samstag 765 Einwohner meist in eigenen Fahrzeugen flüchten. Iryna Wereschtschuk sagte, die Menschen aus Mariupol hätten die rund 230 Kilometer nordwestlich gelegene Stadt Saporischschja erreicht.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hatte am Samstag erklärt, dass ein Team mit drei Fahrzeugen und neun Mitarbeitern plane, nach Mariupol zu gelangen, um Einwohner der Stadt zu evakuieren. Am Freitag war das Rote Kreuz mit einem entsprechenden Versuch gescheitert, weil es keine Zusicherungen erhielt, dass die Route sicher ist. Aus Mariupol hieß es, die Russen hätten den Zugang zur Stadt blockiert.
Fluchtkorridore für festsitzende Schiffsbesatzungen
Für heute kündigte das russische Militär die Öffnung von Fluchtkorridoren für Ausländer in den Hafenstädten Mariupol und Berdjansk an. Wie Generalmajor Michail Misinzew in der Nacht nach Angaben der Agentur Tass sagte, könnten Ausländer die schwer umkämpfte Hafenstadt Mariupol in Richtung Berdjansk verlassen.
Auch die in der besetzten Hafenstadt Berdjansk lebenden ausländischen Staatsbürger dürften das Gebiet verlassen - entweder auf dem Landweg über die Krim oder zu den ukrainisch kontrollierten Gebieten. Bei den Ausländern handelt es sich überwiegend um Besatzungsmitglieder von Frachtschiffen, die in den beiden Häfen seit Kriegsbeginn blockiert sind. Die ukrainische Führung wurde aufgefordert, die Sicherheit der Fluchtkorridore zu garantieren.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Ukraine meldet Rückeroberung der Region Kiew
Im Kampf um die Hauptstadt Kiew hatte der stellvertretende Verteidigungsminister der Ukraine am Samstag mitgeteilt, dass die ukrainischen Truppen die Kontrolle über die gesamte Region wiedererlangt hätten.
Auch der Kiewer Vorort Butscha sei wieder in ukrainischer Hand. Durch die Kämpfe dort sei die Kleinstadt stark zerstört, so Bürgermeister Anatoly Fedoruk gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Straßen seien mit Leichen übersät. Anwohner berichteten, die Zivilisten seien von russischen Soldaten ohne erkennbare Provokation getötet worden.
Chefunterhändler meldet Einlenken Moskaus bei Gesprächen
Auf diplomatischer Ebene meldete der ukrainische Chefunterhändler David Arachamia derweil Fortschritte: Bei den Friedensverhandlungen mit Russland habe Moskau Kiews Hauptforderungen "mündlich" zugestimmt, sagte Arachamia im ukrainischen Fernsehen. Nur hinsichtlich des Status der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim bestehe weiterhin keine Einigkeit. Moskau habe in den Gesprächen aber akzeptiert, dass ein Referendum über den von Russland geforderten neutralen Status der Ukraine "der einzige Ausweg aus dieser Situation" sei.
Arachamia sprach zudem von einem möglicherweise baldigen Treffen Selenskyjs mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Die Entwürfe der entsprechenden Dokumente seien bereits so weit fortgeschritten, dass ein "direktes Gespräch der beiden Staatschefs" möglich sei. Sollte das Treffen zustandekommen, werde es wohl in der Türkei abgehalten, entweder in Ankara oder Istanbul.
Selenskyj hatte in den vergangenen Wochen wiederholt ein direktes Gespräch mit Putin gefordert, um den von Moskau am 24. Februar begonnenen Angriffskrieg zu beenden. Der Kreml lehnte dies bisher mit dem Hinweis darauf ab, dass Putin eine konkrete Grundlage - im Sinne abgeschlossener Vorverhandlungen - für diese Zusammenkunft fordert.