Ungarn blockiert Öl-Embargo "Keine Spielchen mehr"
Der EU-Kommissionsvizepräsident Timmermans hat Ungarns Blockade beim Sanktionspaket gegen Russland scharf kritisiert. Ungarns Präsident Orban warf er vor, ein Freund Putins zu sein und mahnte ihn, "keine Spielchen mehr" zu spielen.
In Brüssel ist man Einiges von Victor Orban gewöhnt. Korruption bei der Verteilung der Milliarden aus dem Gemeinschaftshaushalt, Loblieder auf Wladimir Putin, Veto-Drohungen in langen Gipfel-Nächten. Jetzt scheint die Geduld mit dem ungarischen Regierungschef sich zu neigen. "Ich habe dafür wirklich kein Verständnis mehr", erklärte der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, im WDR Europaforum.
Die EU habe wochenlang "maximale Solidarität" mit Ungarn gezeigt, Ungarn habe Zugeständnisse bei der Umsetzung des Öl-Embargos bekommen. Aber Solidarität sei keine Einbahnstraße, so Timmermans, "also keine Spielchen mehr!"
Ungarn blockiert neue Sanktionen gegen Russland
Was den Vizepräsidenten der Brüsseler Kommission so ungehalten macht, ist der plötzliche Rückzug Orbans vom mühsam ausgehandelten Gipfelkompromis. In der Nacht zum Dienstag hatte er beim Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs dem sechsten Sanktionspaket zugestimmt.
Es sieht ein Verbot von russischen Öllieferungen nach Europa vor - zumindest, wenn sie auf dem Seeweg kommen. Auf Wunsch Ungarns, Tschechiens und der Slowakei sollten Lieferungen per Pipeline zunächst noch möglich sein - ein Zugeständnis an die Länder, die keine Seehäfen haben und deshalb das Öl nicht mit Schiffen aus anderen Ländern kommen lassen können.
Ungarn will Sanktionen gegen Kyrill I. verhindern
Eigentlich wollten die 27 Botschafter der EU-Mitgliedsländer die Sanktionen gestern auf den Weg bringen, normalerweise eine Formsache. Aber dann kam die ungarische Kehrtwende. Der russische Patriarch Kyrill I., Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, müsse von der Sanktionsliste genommen werden, so die Forderung aus Budapest. Kyrill steht auf der Sanktionsliste, weil er Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine offen unterstützt. In Predigten stellte er sich zuletzt hinter den Kriegskurs von Russlands Präsident Putin und wird zu dessen engen Unterstützerkreis gezählt.
Der Patriarch dürfe nicht mit einem Einreiseverbot in die EU bestraft werden, so die offizielle Begründung für die Kehrtwende aus Ungarn, weil das auch die in Europa lebenden Gläubigen der russisch-orthodoxen Kirche von ihrem Oberhaupt isoliere.
Vizekommissar Frans Timmermans sieht den Grund für die Entscheidung Orbans an anderer Stelle. Auf die Frage, ob Orban ein Mann Moskaus in der EU sei, erklärte Timmermans im WDR Europaforum: "Das war nie ein Geheimnis, dass er sich freundlich zu Putin verhält", er habe das in die EU getragen.
EU steht droht ein Dilemma
Orban hatte schon Anfang Mai Bedenken gegen die Strafmaßnahmen für den russischen Patriarchen geäußert. Beim Sondergipfel Anfang der Woche wurde das Thema aber nicht behandelt. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen ging man davon aus, dass Orban dem gesamten Sanktionspaket zustimmt, zu denen die Sanktionsliste mit dem Namen des Patriarchen gehörte.
Die EU steht durch die Blockade Ungarns vor einem schwierigen Problem. Würden die Strafen gegen Kyrill gestrichen, dann wäre das ein Einknicken nicht nur vor Orbàn, sondern auch gegenüber Russlands Präsident Putin. Vizekommissar Timmermans lehnt das ab und will, dass das gesamte Sanktionspaket auf den Weg gegeben wird - als geschlossene Antwort der Europäer gegen Putins Krieg. Dabei gehe es auch um die Frage der europäischen Werte, so Timmermans. "Putin versucht, Autokratie als Norm in Europa einzuführen, unsere Werte zu untergraben, unsere Art zu leben". Ein Einknicken könne die EU sich nicht leisten, "da müssen wir uns dagegen stellen".