Geleakte US-Geheiminformationen Verdächtiger erstmals vor Gericht
Nach der Verbreitung von US-Geheimdienstinformationen wurde der festgenommene Tatverdächtige erstmals einem Richter vorgeführt. Eine Anhörung ist für die kommende Woche geplant. Dem 21-Jährigen droht eine lange Haftstrafe.
Nach der Festnahme eines 21-jährigen US-Militärmitarbeiters wegen eines massiven Leaks vertraulicher Geheimdokumente ist der junge Mann erstmals vor Gericht erschienen.
Der Angehörige der Nationalgarde aus dem Bundesstaat Massachusetts muss sich wegen "unbefugter Entfernung und Aufbewahrung von Verschlusssachen und Informationen der Landesverteidigung" verantworten, teilten die Justizbehörden mit. Ein Richter ordnete an, dass der Tatverdächtige mindestens bis Mittwoch inhaftiert bleiben soll - dann ist eine weitere Anhörung geplant.
Die Bundespolizei FBI hatte den Verdächtigen am Donnerstag mit einem großangelegten Aufgebot festgenommen. CNN zeigte Aufnahmen, wie schwerbewaffnete Beamte den jungen Mann in T-Shirt und kurzer Hose abführten. Bei einer Anklage und einer späteren Verurteilung droht ihm eine lange Haftstrafe.
Geheimdokumente in Chat-Gruppe geteilt
Schon seit Wochen kursieren im Internet geheime Dokumente von US-Stellen, unter anderem zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Darin finden sich Informationen zu Waffenlieferungen und Einschätzungen zum Kriegsgeschehen, aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partnerstaaten. Wie authentisch die Informationen tatsächlich sind oder ob sie nachträglich verändert wurden, lässt sich derzeit nicht überprüfen.
Medienberichten zufolge teilte der unter dem Spitznamen "OG" auftretende 21-Jährige die geheimen Informationen in einer Chat-Gruppe der bei Videospielern beliebten Plattform Discord. Aus Unterlagen des Bostoner Gerichts geht hervor, dass der Tatverdächtige eine offizielle Erlaubnis für die Einsicht der streng geheimen Regierungsunterlagen hatte.
Er habe die brisanten Dokumente dann aber als Abschrift mit der Gruppe geteilt und später auch Fotos von Ausdrucken hochgeladen. Über andere Mitglieder der Gruppe gelangten die Informationen dann ins Netz.
Unklar bleibt weiterhin, aus welchem Motiv heraus die Informationen in der Chat-Gruppe geteilt wurden. So sei der junge Militärangehörige nach ersten Erkenntnissen nicht in die Geschehnisse des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verstrickt. Vielmehr habe er eine Affinität zu Waffen und sei dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen.
Ein Mitglied der Gruppe erzählte der "Washington Post": "Ich glaube nicht, dass er ein bestimmtes Ziel mit der Veröffentlichung verfolgt hat. Er ist kritisch gegenüber der Regierung eingestellt, aber das ist nichts Ungewöhnliches für die meisten Rechten heutzutage."
Biden will sensible Informationen besser schützen
US-Präsident Joe Biden lobte die Strafverfolgungsbehörden für ihr "rasches Handeln". Man sei noch dabei, den inhaltlichen Wert der veröffentlichten Geheimdokumente zu ermitteln. Dabei stimmten sich die USA eng mit Partnern und Verbündeten ab. Biden wies Militär und Geheimdienste zudem an, zusätzliche Maßnahmen zum Schutz sensibler Informationen zu ergreifen. Die Verbreitung von Informationen über die nationale Verteidigung solle weiter eingeschränkt werden, kündigte er an.
Am Rande seines mehrtägigen Irland-Besuchs sagte der US-Präsident, er habe seine Regierung angewiesen, herauszufinden, warum der mutmaßliche Geheimnisverräter überhaupt Zugang zu den Informationen hatte. Außerdem solle das ganze Ausmaß des Vorfalls ausgiebig untersucht werden. Er glaube nicht, dass das lange dauern werde, sagte Biden den Berichten mitreisender Journalisten zufolge.
Konsequenzen für US-Regierung
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erfuhr nach eigenen Angaben erst vor gut einer Woche von dem Datenleck, obwohl das Material da schon wochenlang im Netz umherging. Daraufhin leitete die Regierung nicht nur Ermittlungen ein, um die undichte Stelle zu finden - sie musste auch Schadensbegrenzung betreiben, um Partner zu besänftigen. Besonders die Ukraine zeigte sich verärgert über das Leck - auch, wenn es keine direkten Auswirkungen auf Militärentscheidungen gehabt haben soll.
Für die US-Regierung ist nicht nur die Sicherheitslücke an sich und die Offenlegung des sensiblen Materials ein Problem, sondern auch die Außenwirkung auf internationaler Bühne: Es stellen sich Fragen dazu, wie verlässlich die USA sind, wie gut sie ihre Geheimnisse und die ihrer Partner schützen und wie loyal sie Verbündeten gegenüber sind.
Das US-Verteidigungsministerium will angesichts der Affäre den Zugang zu Geheimdienstinformationen überprüfen. Austin teilte mit, er habe eine Untersuchung über den Zugang zu Geheimdienstinformationen innerhalb seines Ministeriums in Auftrag gegeben. Auch Kontrollverfahren würden überprüft, um zu verhindern, "dass sich ein derartiger Vorfall wiederholt".