US-Präsident Donald Trump bei einer PRessekonferenz
Interview

Interview zur US-Politik "Für Trump könnte die Luft dünn werden"

Stand: 18.08.2017 03:39 Uhr

Die Aussagen des US-Präsidenten lassen die schlimmsten Befürchtungen seiner Gegner wahr werden, sagt USA-Expertin Cathryn Clüver. Im Interview mit tagesschau.de spricht sie über die gesellschaftliche Spaltung im Land und den Richtungsstreit der Republikaner.

tagesschau.de: Welche Auswirkungen haben Trumps jüngste Aussagen zur rechtsradikalen Szene auf seine Präsidentschaft?

Cathryn Clüver: Die Aussagen des Präsidenten vom Dienstag haben viele Menschen im Land aufgeschreckt. Gerade Trumps Gegner sahen ihre schlimmsten Befürchtungen aus dem Wahlkampf bestätigt, nämlich dass eine Regierung Trump eine ethno-nationale Politik betreiben würde. Anhaltspunkte dafür gab es ja bereits vorher - etwa durch die Zusammenstellung des Kabinetts, die Rücknahme einer großen Justizreform und der personellen Aushöhlung der Zivilrechtsabteilung des Justizministeriums, die einer Abschaffung gleichkommt.

Doch Trumps Aussagen wurden nicht nur von seinen nominellen Gegnern kritisiert. Auch aus der republikanischen Partei wurde zum Teil scharfe Kritik geäußert. Beobachter sind deshalb sehr gespannt, wie sich das Verhältnis zwischen Partei und Präsident entwickeln wird, wenn die Kongressabgeordneten aus der Sommerpause zurück nach Washington kommen. Denn es ist ja nicht das erste Mal, dass es zwischen Trump und führenden Republikanern zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Insgesamt ist zudem zu befürchten, dass die gesellschaftliche Spaltung in den USA noch weiter zunimmt.

Cathryn Clüver
Zur Person
Cathryn Clüver Ashbrook ist Leiterin des Future of Diplomacy Projects an der Harvard Universität. Die Deutsch-Amerikanerin ist Expertin für Außenpolitik und hat viele Jahre als Journalistin gearbeitet.

tagesschau.de: Diese Spaltung ist nicht erst seit Beginn der Trump-Präsidentschaft im Land spürbar. Wie nehmen Sie dieses Auseinanderdriften wahr?

Clüver: Die Spaltung existiert tatsächlich schon lange. Das Kernland der USA und die Metropolen entwickeln sich immer weiter auseinander. Die Finanzkrise von 2008 hat diesen Trend spürbar beschleunigt. Seitdem haben immer mehr Menschen in den ländlichen Teilen des Landes das Gefühl, den Lebensstandard der Mittelschicht nicht mehr halten zu können und fürchten, ihren Kindern kein besseres Leben mehr bieten zu können. Daraus destillierte sich eine immer größer werdende politische Bewegung, die mit der Tea Party begann und bis heute immer größere Kreise gezogen hat.

Gleichzeitig fühlten sich linksliberale Gruppen durch die Obama-Präsidentschaft und ihre gesellschaftlichen Reformen bestärkt, die Teils über den Kopf des Kongresses hinweg vorangetrieben wurden. So wurden die Gräben im Land immer tiefer.

Proteste gegen Rassismus in New York

Proteste gegen Rassismus und die Politik Trumps auf der Fifth Avenue in New York.

Konkret spüren das Familien überall im Land. Am Thanksgiving-Tisch können Verwandte teils nicht mehr miteinander reden, weil die Spaltung so groß geworden ist. Das ist in Cambridge, einem Vorort von Boston, wo ich lebe, jedoch noch anders. Boston ist generell eine demokratische Hochburg und damit in der Kritik an der Trump-Regierung recht vereint. Und dennoch fühlen sich bestimmte Gruppen durch die Aussagen des Präsidenten enthemmt. Hier hat eine lose rechtsgerichtete Gruppierung aus dem ganzen Land für das Wochenende unter dem Deckmantel des ersten Verfassungszusatzes zu freier Meinungsäußerung eine Veranstaltungslizenz beantragt. Es wird auch mit Sicherheit hier in Boston am Samstag zu Ausschreitungen kommen.

tagesschau.de: Auf der anderen Seite kann Trump sich immer noch auf Zustimmungswerte von etwas mehr als 30 Prozent berufen. Ein harter Kern der Wähler steht also zu diesem Präsidenten. Ist denkbar, dass er auch diesen Rückhalt verliert?

Clüver: Zunächst muss man festhalten, dass etwas mehr als 30 Prozent ein denkbar schlechtes Ergebnis sind, zumal die Trump-Präsidentschaft ja erst acht Monate alt ist. Verglichen mit anderen Präsidenten ist das ein verheerendes Zwischenzeugnis. Man muss aber auch sehen, dass 75 Prozent der Trump-Wähler ihm immer noch die Stange halten. Das ist ein sehr loyaler Kern, für eine eventuelle Wiederwahl im Jahr 2020 reicht dieses Maß an Unterstützung jedoch nicht aus. Deshalb ist es interessant zu sehen, wie zunehmend auch Kritik aus den eigenen Reihen an Trump geübt wird. Die Republikaner müssen mit Blick auf die anstehenden Wahlen die moderate Mitte gewinnen. Sonst haben sie bereits im kommenden Jahr bei den Kongresswahlen schlechte Karten.

tagesschau.de: Die von Ihnen angesprochene Kritik wurde vor allem aus dem Parteiestablishment geübt - etwa von den beiden Ex-Präsidenten Bush oder von einigen traditionell kritischen Senatoren. Sprechen diese Stimmen aber auch für die Parteibasis?

Clüver: Das kommt darauf an. Man darf nie aus den Augen verlieren, wie groß und vielfältig die USA sind. Da gibt es durchaus Regionen, in denen auch republikanische Senatoren mit Blick auf das Verhalten des Präsidenten durchaus Druck von der eigenen Basis bekommen. Ein Beispiel dafür ist etwa der Senator Jeff Flake aus Arizona, der unter größter Geheimhaltung ein Buch geschrieben hat, in dem er der eigenen Partei vorwirft, ihren Kurs aus den Augen verloren zu haben. Das zeigt, wieviel Bewegung innerhalb der Partei derzeit stattfindet. Mit Blick auf die Kongresswahl im kommenden Jahr dürften sich diese Entwicklungen noch verstärken.

Für Trump könnte das gefährlich werden. Wenn die Partei merkt, dass er nicht in der Lage ist, die für sie wichtigen Gesetzesvorhaben umzusetzen, dann wird auch für ihn die Luft dünn. Gleichzeitig bekommen diese Kongressmitglieder natürlich auch Druck von oben. Trump hat bereits mehrere Republikaner öffentlich kritisiert und angedroht, Gegenkandidaten für sie zu unterstützen.

tagesschau.de: Was die republikanische Agenda angeht, konnte Trump bislang noch nicht liefern. Die Gesundheitsreform ist gescheitert, die versprochene große Steuerreform ebenfalls noch nicht angeschoben. Gibt es angesichts des ständigen Chaos in der Regierung überhaupt noch eine realistische Chance für Trump, eines dieser Großprojekte umzusetzen?

Clüver: Zur Zeit sieht es nicht gut aus. Die beiden großen Vorhaben, die Gesundheitsreform und die Steuerreform, waren ja eng miteinander verbunden. Der Kongress wollte die Ersparnisse aus der Rückabwicklung von Obamacare nutzen, um die versprochenen Steuerentlastungen zu finanzieren. Das heißt: So, wie es bisher angekündigt war, wird die Steuerreform nicht umzusetzen sein. Und ob die Republikaner sich auf ein neues Modell einigen können, bevor die selbstgesetzte Frist lange vor den Kongresswahlen abläuft, daran möchte ich doch ein großes Fragezeichen setzen.

tagesschau.de: Gibt es für die Trump-Regierung dann auf absehbare Zeit überhaupt noch eine Chance, wieder in die Spur zu kommen? Schließlich liegt auch der letzte Umbau im Weißen Haus noch keine zwei Wochen zurück. Viel besser ist es seitdem nicht geworden…

Clüver: Es wäre zumindest die Aufgabe des neuen Stabschefs John Kelly, die Regierungszentrale so aufzustellen, dass es wieder aufwärts geht. Kelly versteht seine Aufgabe auch so, die Organisation des Weißen Hauses in die Spur zu bringen. Er kann allerdings nicht den Präsidenten kontrollieren. Und da es immer wieder Widersprüche zwischen den offiziellen Aussagen der Regierung und Trumps Twitter-Account gibt, bleibt dieser Dauerkonflikt um die grundsätzliche Ausrichtung dieser Präsidentschaft bestehen. Dieses Chaos im Weißen Haus einerseits und der Richtungsstreit in der republikanischen Partei lähmt die Regierung. 

tagesschau.de: Warum profitieren die oppositionellen Demokraten nicht stärker von dieser Schwäche?

Clüver: Die Partei hat sich von der Wahlniederlage im vergangenen November noch nicht erholt. Die Demokraten haben über viele Jahre zu sehr auf ihre Programme gesetzt - und zu wenig auf Persönlichkeit, die ihre Ideen glaubwürdig vermitteln können. Sie werden eine Antwort auf die wirtschaftlichen Fragen der Zeit finden müssen, in der viele Menschen glauben, der amerikanische Traum sei für sie nicht mehr zu verwirklichen. Und sie werden auf allen Ebenen Kandidaten brauchen, die dieses Programm glaubwürdig vertreten können - wie es etwa Barack Obama geschafft hat. Wer das sein könnte, ist mir heute auch noch nicht klar. Ich gehe aber fest davon aus, dass der nächste Präsidentschaftskandidat der Demokraten ein weißer Mann sein wird.

Das Interview führte Julian Heißler, tagesschau.de.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 16. August 2017 um 00:20 Uhr.