EU-Visafreiheit für Türken Ein paar Hürden bleiben noch
Damit die von der EU empfohlene Visafreiheit eingeführt werden kann, stehen der Türkei noch einige Hürden bevor: das EU Parlament muss zustimmen - und Kritiker überzeugt werden. Die Türkei soll die Zeit nun nutzen, um zu liefern.
Grünes Licht - wenn auch unter Vorbehalt: Wie erwartet, will die EU-Kommission der Türkei den Weg zum visafreien Reisen ebnen. So, wie man es am 18. März vereinbart hatte. Eine entsprechende Empfehlung gab der Vizepräsident der Behörde, Frans Timmermans, in Brüssel ab.
Beeindruckende Fortschritte der Türkei
Nach den Worten des Niederländers hat Ankara in den zurückliegenden Wochen beeindruckende Fortschritte gemacht. Es gebe zwar noch einiges an Arbeit zu tun - und zwar dringend. Doch wenn man das Tempo aufrecht erhalte, könnten die restlichen Zielmarken erreicht werden.
Im Übrigen, so der Kommissionsvize, sei offensichtlich, dass der EU-Türkei-Pakt wirke. Die schamlose Ausbeutung menschlichen Elends sei zurückgegangen. Das Geschäftsmodell krimineller Schlepper breche zusammen. Und: Deutlich weniger Flüchtlinge als bisher riskierten ihr Leben beim Versuch, die Ägäis zu überqueren.
Aktuell kämen pro Tag weniger als Hundert auf den griechischen Inseln an, so Timmermans. Verglichen mit Tausenden im vergangenen Herbst. Um diese verwundbaren Menschen zu schützen, müsse die Zusammenarbeit weitergehen.
Damit die im Gegenzug versprochene Visafreiheit auch pünktlich am 1. Juli in Kraft treten kann, sind noch ein paar Hürden zu nehmen. So muss der Rat der 28 Mitgliedsstaaten dem Vorschlag der Kommission zustimmen. Auch das EU-Parlament ist in der heiklen Angelegenheit gefragt. Sagen beide Ja, was keineswegs garantiert ist, dürfen türkische Staatsbürger mit gültigem Pass ab dem Sommer ohne weitere Formalitäten in den Schengenraum einreisen und sich dort 90 Tage lang aufhalten. Ein Zugeständnis, auf das die Türkei jahrelang hingearbeitet hat.
Bei der Grünen-Abgeordneten Rebbecca Harms rufen die Pläne aber gemischte Gefühle hervor: "Ich habe mir seit Ewigkeiten gewünscht, dass es für Türkinnen und Türken einfachere Reisemöglichkeiten in die EU gibt. Andererseits stellt sich mir alles quer, weil dies einer der größten Erfolge sein wird, den Präsident Erdogan für sich deklamiert."
"Notbremse" um Kritiker zu beruhigen
Um die Kritiker des Tauschgeschäfts zu beruhigen, hat die Kommission einige Sicherungen eingebaut. So soll der Wegfall der Visapflicht an die Umsetzung des umstrittenen Flüchtlingspakts gekoppelt werden. Soll heißen: Wenn die Vereinbarung nicht dauerhaft für sinkende Zuwandererzahlen und bessere Lebensbedingungen in türkischen Aufnahmelagern sorgt, kann sie jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Diese "Notbremse" soll auch zum Einsatz kommen, wenn die innere Sicherheit gefährdet ist. Und sie soll leichter aktiviert werden können und schneller greifen.
Fälschungssichere Pässe fehlen noch
Ein Problem bleiben die 72 Kriterien, die die Türkei eigentlich bis zum Stichtag hätte erfüllen müssen. Aus Sicht der EU hat Ankara trotz erkennbarer Bemühungen fünf davon noch nicht umgesetzt. So müssen beispielsweise noch für alle Bürger fälschungssichere biometrische Pässe eingeführt werden. Menschen ohne solche Dokumente sollen auch nach dem 1. Juli nicht ohne Visum kommen dürfen, betont Timmermans. Einen Freibrief gebe es nicht.
Einige Mitglieder des EU-Parlaments dürften trotz allem darauf bestehen, dass sämtliche Punkte vor der Abstimmung erledigt sind. In der Kommission sorgt man sich jedoch, dass das Abkommen mit der Türkei dann platzen könnte. Der türkische Ministerpräsident Davutoglu hatte dies mehrmals angedroht.
Als Ausweg aus dem Dilemma legte Brüssel den Gesetzentwurf nun vorzeitig vor, in der Hoffnung, dass die angepeilte Frist doch noch gehalten werden kann. Während EU-Staaten und Parlament den Text prüfen könnten, so die Idee, müsse die Türkei die Zeit nutzen, um zu liefern. Bis Ende Juni soll entschieden werden.