Interview

Ex-US-Botschafter Kornblum zu US-Wahlen "Hillary Clinton ist Gewinnerin der Wahl"

Stand: 05.11.2014 22:17 Uhr

Die Republikaner als strahlende Sieger der US-Kongresswahlen, die Demokraten nach der bitteren Niederlage am Boden. Das kann man auch anders sehen, meint der frühere US-Botschafter in Berlin, John Kornblum, im Gespräch mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Herr Kornblum, wo sehen Sie die Gründe für die bittere Niederlage der Demokraten?

John Kornblum: Die sogenannten midterm-elections zwischen den Präsidentschaftswahlen sind meistens ein Referendum über den Präsidenten. Und diese Wahl zeigt, dass man sehr wenig Vertrauen und sogar sehr wenig Zuneigung zu Barack Obama hat.

tagesschau.de: Spielten Sachthemen denn überhaupt keine Rolle?

Kornblum: Natürlich spielten die eine Rolle. Tatsache ist, es geht der Wirtschaft gut. Die Außenpolitik ist zwar nicht hervorragend, aber auch nicht so schlecht. Obama hat sogar in vieler Hinsicht Führungsstärke gezeigt, aber die allgemeine Atmosphäre für ihn persönlich ist sehr negativ.

John C. Kornblum
Zur Person
John Kornblum ist US-amerikanischer Diplomat und Investmentbanker. Von 1997 bis 2001 war er US-Botschafter in Deutschland. Seit 2009 arbeitet er als Berater für die Berliner Kanzlei Noerr.

tagesschau.de: Sie sprechen die Wirtschaft in den USA an. Warum konnte Obama die positiven Trends nicht für sich nutzen?

Kornblum: Eine gute Frage. Politik ist keine Wissenschaft, sondern eher eine Art Deutung. Obamas ganzes Image, die Frage, ob er Dinge unter Kontrolle hat, seine Haltung den Menschen gegenüber, all das ist schwach.

"Tea-Party ist geschwächt"

tagesschau.de: Die Republikaner erobern jetzt auch den Senat - welche Rolle spielte dabei die Tea-Party-Bewegung?

Kornblum: Die Tea-Party-Bewegung ist eher geschwächt. Das ist vielleicht eine gute Nachricht dieser Wahl. Sie hatten in den Vorwahlen vergeblich versucht, einige republikanische Abgeordnete zu stürzen. Das bedeutet aber nicht, dass die Tea-Party jetzt verschwunden ist. Es gibt einige sehr wichtige Vertreter in beiden Häusern des Kongresses, die entweder aus der Tea-Party-Bewegung kommen oder ihr nahestehen. Die Republikaner werden es nicht leicht haben, eine gemeinsame Politik darzustellen.

Interessant ist in dieser Hinsicht auch, dass es für diese sehr wichtige Wahl kein republikanisches Programm gab. Das ist sehr selten. Das könnte darauf hinweisen, dass von vornherein klar war, dass man sich mit der Tea-Party gar nicht auf ein Programm hätte einigen können.

tagesschau.de: Obama droht nun endgültig vom Hoffnungsträger zur "lame duck", zur lahmen Ente, abzusteigen. Oder sehen Sie die Möglichkeit zu Kompromissen mit den Republikanern?

Kornblum: Es wird bestimmt Kompromisse geben. Die Frage ist, wie Obama diese Herausforderung jetzt annimmt und was er daraus macht. Wir hatten eine ähnliche Lage - nicht ganz so schwierig, aber ähnlich - vor 20 Jahren, als Bill Clinton nach seinen ersten zwei Jahren Amtszeit katastrophal die "midterms" verlor. Er hat danach erkannt, dass das ein Referendum über seine Person war. Er hat sich zu hundert Prozent geändert und viele seiner Befürworter auf der linken Seite einfach fallen lassen. Aber dadurch hat er sich gefangen und zwei Jahre später mit Riesenmehrheit seine zweite Amtszeit angetreten.

tagesschau.de: Wo könnte man sich denn einigen?

Kornblum: Das große Thema auf der Agenda ist Einwanderung. Die Republikaner wissen, dass sie, wenn sie je wieder einen Präsidenten stellen wollen, mehr bei den Einwanderern punkten müssen. Im Moment bekommen die Republikaner so gut wie keine Stimmen von den Latinos, den Schwarzen oder den Asiaten. Das ist die größte Schwäche der Republikaner und macht einen Kompromiss wahrscheinlicher.

"Ein Rechtsruck Obamas ist wahrscheinlich"

tagesschau.de: Sehen Sie die Möglichkeit eines Rechtsrucks jetzt auch bei Obama?

Kornblum: Ja, wahrscheinlich. Aber es gibt einen großen Unterschied. Clinton hatte Probleme mit seiner Politik, aber niemand hat gesagt, dass er kein überzeugender Politiker ist. Obama hat nicht so viele Probleme mit seinem Programm, aber wirkt nicht überzeugend als Politiker.

tagesschau.de: Birgt das Wahlergebnis in dieser Hinsicht vielleicht sogar eine Chance für Obama, etwas zu bewegen?

Kornblum: Ja, natürlich. Die Frage wird sein: Ist er flexibel und großzügig genug, um auf einen Teil seines Programms zu verzichten, Eingeständnisse an die Republikaner zu machen und sagen zu können, das ist jetzt ein Sieg der Vernunft? Bislang hat er diese Fähigkeit noch nicht sehr oft gezeigt. Obama muss sich heute noch fleißig hinsetzen und eine Agenda ausarbeiten, in welchen Punkten er mit den Republikanern zusammenarbeiten kann. Einige Themen sind gar nicht so schlimm: In der Außenpolitik etwa gibt es nur sehr wenige Unterschiede zwischen Obama und den Republikanern.

"Keine Experimente"

tagesschau.de: Was bedeutet der Ausgang der Kongresswahlen im Hinblick auf die Präsidentenwahl in zwei Jahren?

Kornblum: Die große Gewinnerin dieser Wahl ist Hillary Clinton. Als mögliche Präsidentschaftskandidatin ist sie ohnehin schon stark und hat jetzt angesichts einer gewissen Ratlosigkeit der Demokraten noch eine bessere Position. Die Demokraten werden nicht bereit sein, Experimente zu machen. Ich glaube Hillary Clinton und ihr Mann Bill sind nicht so ganz unglücklich über den Ausgang dieser Wahl.

Das Interview führte Bernd Wode, tagesschau.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 05. November 2014 um 12:00 Uhr.