Worst EU Lobby Awards Negativ-Preis für deutsche Lobby-Arbeit
Lobbyisten und Interessengruppen versuchen, Einfluss auf Meinung und Politik zu nehmen. Die dreistesten Versuche in Europa werden mit dem "Worst Lobby Award" ausgelobt. In einer Internetabstimmung wurden die diesjährigen Preisträger gewählt. Ganz vorne: das Deutsche Atomforum sowie die Automobilhersteller BMW, Daimler-Benz und Porsche.
Von Frank Zirpins, tagesschau.de
Deutsche Firmen und Interessengruppen haben bei den diesjährigen "Worst EU Lobby Awards" die ersten Plätze belegt. Die deutschen Automobilhersteller BMW, Daimler-Benz und Porsche werden für eine gemeinsame Kampagne "ausgezeichnet", in der sie nach Ansicht der Juroren "für die Verwässerung und Verzögerung von verpflichtenden CO2-Reduktionszielen" eintraten. Rund ein Drittel der 6700 abgegebenen Stimmen entfiel auf die deutschen Autobauer. Sie setzen sich durch gegen die Anti-Kyoto-Kampagne der Brüsseler Lobbyagentur Cabinet Stewart, den Agro-Kraftstoffhersteller Repsol, den EU-Berater und Konzern-Aufsichtsrat Viscount Etienne Davignon sowie die European Public Affairs Consultancies Association für ihren Einsatz gegen ein Lobbyisten-Transparenz-Register.
Automobilhersteller wollen CO2-Ziel verwässern
Die deutschen Automobilhersteller waren für ihre Lobby-Arbeit in Brüssel nominiert, mit der sie die Höchstwerte für den CO2-Ausstoß von Neuwagen beeinflussten. Der ursprüngliche Entwurf der EU-Kommission sah vor, dass jeder Neuwagen statt wie bisher 160 nur noch 120 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen darf. Die Autohersteller und ihr Verband bezeichneten das Ziel als nicht realisierbar und als ruinös für die Autowirtschaft. Am Ende machte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Ziele der Autohersteller stark, das CO2-Ziel auf 130 Gramm anzuheben und mehrere Gewichtsklassen mit noch höheren Richtwerten einzuführen
"Schmutzige Kampagne"
Erik Wesselius vom Wettbewerbs-Mitveranstalter Corporate Europe Observatory (CEO) wirft den Autoherstellern eine "schmutzige Lobbykampagne" gegen die CO2-Ziele der EU-Kommission vor. Die Unternehmen hätten Panik verbreitet und mit Fabrikschließungen und dem Verlust von Arbeitsplätzen gedroht. "Das deutsche Trio BMW, Daimler und Porsche gehört zu den schlimmsten unter den Autolobbyisten," urteilt Wesselius.
Der Gelsenkirchener Professor für Automobilwirtschaft, Ferdinand Dudenhöffer, hält die Krisenszenarien der Autohersteller für unrealistisch. "Das CO2-Ziel der EU-Kommission ist bis 2012 problemlos umsetzbar", sagte er tagesschau.de. Neuwagen müssten dazu treibstoffsparender ausgelegt werden - und das koste Geld: Eine Senkung um 30 Gramm CO2-Ausstoß erhöhe den Fahrzeugpreis durch Forschung und Herstellung um rund 1000 Euro. "Das ist dem Kunden vermittelbar", meint Dudenhöffer.
Grünes Mäntelchen
Auch in der zweiten Kategorie der "Worst EU Lobby Awards", dem "Worst EU Greenwash Award" für die schlimmste Grünfärberei von ökologisch bedenklichen Praktiken, waren Deutsche "erfolgreich": Der Preis ging an das Deutsche Atomforum. Es hatte mit seiner Werbekampagne "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer" Werbung für alte Atomkraftwerke und längere Laufzeiten gemacht. "Das Deutsche Atomforum versuchte, die öffentliche Besorgnis über den Klimawandel zu instrumentalisieren, um für die Atomenergie zu werben”, erklärt Ulrich Müller vom Award-Mitveranstalter LobbyControl.
Als Greenwashing wird der Versuch von Behörden oder Unternehmen bezeichnet, umweltschädliche oder - gefährliche Praktiken mit PR-Maßnahmen positiv darzustellen. Der US-amerikanische PR-Experte John Stauber schätzt, dass alleine US-Unternehmen jährlich eine Milliarde Dollar für irreführende PR benutzen, "um für sich ein falsches, umweltbewusstes Image aufzubauen und gleichzeitig ihren Missbrauch der Biosphäre und der öffentlichen Gesundheit zu kaschieren". So werden für Kampagnen Flugzeuge grün angemalt werden oder aus Schornsteinen steigen Blumen auf. Gerne treten potenziell umweltgefährdende Unternehmen auch als "Partner von Umweltgruppen" auf.
In der Kampagne wurden in Anzeigen, Broschüren und im Internet etwa die Kraftwerke Biblis A und Brunsbüttel inmitten einer intakten Umwelt gezeigt, zusammen mit Sätzen wie: "Dieser Klimaschützer verhindert jedes Jahr die Emission von 12 Millionen Tonnen CO2", oder "dieser Klimaschützer kämpft 24 Stunden für die Einhaltung des Kyoto-Abkommens."
Das Deutsche Atomforum, ein Zusammenschluss von Kraftwerksbetreibern und Nuklear-Zulieferern, bemüht sich vor allem um die Verlängerung von Restlaufzeiten. Einer der wichtigsten Bausteine der Kampagne ist die Internetseite klimaschuetzer.de, auf der für die vermeintlich positive CO2-Bilanz der Kraftwerke geworben wird. Umweltorganisationen bemängeln, dass hier wie in der gesamten Darstellung nicht die tatsächliche Bilanz abgebildet werde, die die Herstellung von Brennstäben und die ungeklärte Endlagerung umfasst.
Der Worst EU Lobbying Award wird an Lobbyisten, Unternehmen oder Interessenverbände vergeben, die manipulative, irreführende oder andere problematische Lobbytaktiken verwendeten, um Entscheidungen der EU zu beeinflussen. Bei seiner Einführung im Jahr 2005 erhielt die Campaign for Creativity für ihre Lobbyarbeit für Softwarepatente den Preis, 2006 der Ölkonzern ExxonMobil.
In diesem Jahr wurde ein zusätzlicher Preis in der Kategorie Worst EU Greenwash vergeben, mit dem Firmen ausgezeichnet werden, deren Werbung, PR- und Lobbyrhetorik im Widerspruch zu den wahren Umweltauswirkungen ihres Kerngeschäfts steht. Internetnutzer konnten in beiden Kategorien aus jeweils fünf Nominierten auswählen. Die Aktion wird von den Organisationen Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe, LobbyControl und Spinwatch organisiert.