Aus gesundheitlichen Gründen Cum-Ex-Verfahren gegen Olearius eingestellt
Christian Olearius ist eine der bekanntesten Figuren im Cum-Ex-Komplex. Nach einem Dreivierteljahr darf der Hamburger Ex-Bankier die Anklagebank verlassen - wegen seiner Gesundheit. Die Schuldfrage bleibt offen.
Das Bonner Landgericht stellt das Cum-Ex-Strafverfahren gegen den früheren Chef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg, Christian Olearius, ein. Grund dafür sei die angeschlagene Gesundheit des 82-Jährigen. Dieses Urteil fällte die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf.
Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung hatten die Einstellung des seit vergangenem September laufenden Verfahrens beantragt. Das Gericht hatte ein medizinisches Gutachten eingeholt, das die weitgehende Verhandlungsunfähigkeit des Bankiers bestätigte. Zuletzt durfte nur noch 45 Minuten pro Gerichtstag gegen den heutigen Gesellschafter von M.M. Warburg verhandelt werden.
Kein Freispruch
Die Schuldfrage bleibt nach der Entscheidung unbeantwortet. Sie ist aber auch nicht mit einem Freispruch gleichzusetzen. Die Staatsanwaltschaft hatte Olearius 15 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung vorgeworfen, wodurch ein Steuerschaden von rund 280 Millionen Euro entstanden sei. Olearius selbst wurden dabei angebliche Taterträge von 43 Millionen Euro zugerechnet. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein.
Die Verteidigung hatte die Arbeit der Ermittlungsbehörden massiv kritisiert und die Vorwürfe zurückgewiesen. Olearius meldete sich vor dem Urteil im Gericht zu Wort und beteuerte erneut seine Unschuld. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien hinfällig.
Milliardenschäden für den Staat
Mit Hilfe sogenannter Cum-Ex-Geschäfte bekamen Finanzakteure Steuern erstattet, die gar nicht gezahlt worden waren - Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch wurden in einem Verwirrspiel hin- und hergeschoben. Dem Staat entstand dadurch ein zweistelliger Milliardenschaden. Im Jahr 2021 stellte der Bundesgerichtshof klar, dass es sich bei solchen Transaktionen um eine Straftat handelt. Die Ermittlungen der bis zu 20 Jahre zurückliegenden Fälle dauern weiter an. Bei Banken und Anwaltskanzleien gibt es immer wieder Durchsuchungen.
Offen blieb zunächst, ob die Staatsanwaltschaft einen weiteren Anlauf unternimmt, um ein sogenanntes Einziehungsverfahren gegen Olearius anzustrengen. Dabei ginge es um die angeblichen Taterträge und nicht um die Schuldfrage. Olearius müsste nicht mehr vor Gericht erscheinen. Nach Auskunft seines Sprechers hat er im Jahr 2020 gemeinsam mit dem Co-Gesellschafter Max Warburg wegen Cum-Ex bereits 230 Millionen Euro an den Staat gezahlt.
Verbindung zu Olaf Scholz
Olearius ist einer der bekanntesten Cum-Ex-Akteure. Sein Fall hat auch eine viel beachtete bundespolitische Komponente. Denn aus seinen Tagebucheinträgen ging hervor, dass er sich 2016 und 2017 insgesamt dreimal mit dem späteren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte, als dieser noch Erster Bürgermeister von Hamburg war.
Während der genaue Inhalt der Treffen weiter unbekannt ist, steht fest, dass die Finanzbehörde danach eine Steuerforderung fallen ließ und die Ansprüche daraufhin nach damaliger Rechtslage verjährten. Ein direkter Zusammenhang zu den Treffen ist nicht erwiesen. Scholz schließt eine politische Einflussnahme aus und beruft sich bei der Frage nach dem genauen Inhalt der Gespräche auf Erinnerungslücken.
"Zu Strafverfahren wäre es fast nicht gekommen"
Im Vorfeld des Einstellungsurteils hatte der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete und jetzige Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, Gerhard Schick erklärt, es sei kein Skandal, wenn das Verfahren auf diese Weise ende. "Es gibt für solche Fälle rechtsstaatliche Regeln, die für alle gelten, auch für Olearius - und das ist auch richtig so."
Der eigentliche Skandal sei vielmehr, dass es zu dem Strafverfahren fast nicht gekommen wäre, weil Olearius gute Beziehungen zu Regierung und Justiz in Hamburg gepflegt habe. "Wenn die Staatsanwaltschaft in Köln nicht hartnäckig geblieben wäre, hätte man Olearius vielleicht nie angeklagt." Schick appellierte an die Regierungs- und Ermittlungsbehörden, mit vollem Einsatz gegen Cum-Ex-Vergehen vorzugehen. "Der gleiche Rechtsstaat, der Olearius nun vor einem Verfahren schützt, dem er nicht mehr gewachsen ist, hätte ihn schon früher entschlossen anklagen müssen."