Corona-Wiederaufbaufonds der EU Verfassungsbeschwerden scheitern in Karlsruhe
Deutschland darf sich am milliardenschweren Corona-Wiederaufbaufonds der EU beteiligen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe wies zwei Verfassungsbeschwerden dagegen zurück. Er äußerte aber Bedenken.
Dass die EU Schulden aufgenommen hat, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie in den Mitgliedstaaten zu bewältigen, ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zulässig. Bundesregierung und Bundestag durften demnach dem EU-Beschluss zustimmen, mit dem insgesamt 750 Milliarden Euro Kredite aufgenommen wurden. Einen Eilantrag dazu wies das Verfassungsgericht schon im April 2021 ab.
"Der Eigenmittelbeschluss 2020 stellt keine offensichtliche Überschreitung des geltenden Integrationsprogramms der Europäischen Union dar und beeinträchtigt auch nicht die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages", stellte der Zweite Senat des Verfassungsgerichts in seinem Urteil fest.
Verwendung soll zweckgebunden sein
Die EU dürfe sich im Krisenfall ausnahmsweise selbst Geld am Kapitalmarkt besorgen. Eine Einschränkung nannte das Gericht aber doch: Die Mittel dürften nur der Bewältigung der Pandemie dienen. Nach Vorgaben der EU sollen die Mitgliedstaaten aber einen Großteil der Hilfsgelder für Digitalisierungs- und Klimaschutzprojekte verwenden.
2020 hatten die Regierungschefs der EU einen Wiederaufbaufonds mit dem Namen "Next Generation EU" beschlossen und die EU-Kommission mit dem sogenannten Eigenmittelbeschluss dazu ermächtigt, selbst Schulden an den Kapitalmärkten aufzunehmen. Im März 2021 stimmten CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP dem Beschluss zu.
Deutschland ist größter Nettozahler
Das Geld wird nach Quoten an die Mitgliedstaaten verteilt - besonders hart von der Corona-Pandemie betroffene Länder wie Italien und Spanien erhalten die größten Summen. Insgesamt 360 Milliarden Euro werden als Darlehen ausgegeben, die bis 2058 beglichen werden sollen. 390 Milliarden Euro sind Zuschüsse, die die Mitgliedstaaten nicht zurückzahlen müssen.
Deutschland rechnete mit Zuschüssen von fast 26 Milliarden Euro netto - ist aber nach Rechnungen des Bundesrechnungshofs mit 65 Milliarden Euro größter Nettozahler. Die Behörde hatte von einer "Zäsur für die europäische Finanzarchitektur" gesprochen und vor Risiken für den Bundeshaushalt gewarnt.
Verfassungsbeschwerde von Lucke
Ein Bündnis um den Wirtschaftsprofessor und früheren AfD-Politiker Bernd Lucke und der Unternehmer Heinrich Weiß hatten jeweils Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie argumentierten, die Zustimmung von Bundestag und Bundesregierung sei verfassungswidrig gewesen.
Der Wiederaufbaufonds steht ihrer Auffassung nach außerhalb der EU-Verträge, nach denen sich die EU aus eigenen Haushaltsmitteln finanzieren müsste. Sie sahen außerdem die Gefahr, dass Deutschland für andere Mitgliedstaaten einstehen müsste, wenn diese sich überschulden - auch das sei aber in EU-Verträgen ausgeschlossen.
Mit Informationen von Klaus Hempel, ARD-Studio Karlsruhe
Aktenzeichen: 2 BvR 547/21 und 2 BvR 798/21