Putin und Simonjan, Chefredakteurin bei der Medienholding "Rossija Segodnja"
Hintergrund

Medienfreiheit in Russland und USA Wer ist "ausländischer Agent"?

Stand: 25.10.2017 14:07 Uhr

Die russischen Medien RT und Sputnik sollen in den USA zu "ausländischen Agenten" erklärt werden. Auch in Russland gibt es ein Gesetz über "ausländische Agenten". Doch beide haben unterschiedliche Auswirkungen.

Von Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Das US-Justizministerium hat angekündigt, die vom russischen Staat finanzierten Auslandsmedien RT und Sputnik als "ausländische Agenten" registrieren zu wollen. Margarita Simonjan, Chefredakteurin von RT und der Medienholding "Rossija Sewodnja", zu der Sputnik gehört, sieht darin eine politisch motivierte "Hexenjagd" in den USA.

Beim internationalen Forum des Waldai-Clubs Ende Oktober kündigte Russlands Präsident Wladimir Putin eine umgehende und symmetrische Reaktion an, sollte die Arbeit der russischen Medien in den USA eingeschränkt werden.

Beweispflicht liegt beim Justizministerium

Was erwartet RT und Sputnik, falls sie das US-Justizministerium als "ausländische Agenten" registriert? Basis für eine solche Entscheidung ist der seit 1938 geltende "Foreign Agent Registration Act" (FARA). Er betrifft "Agenten", die im Auftrag ausländischer Regierungen, Parteien oder Institutionen tätig sind - und politische oder wirtschaftliche Vorteile durch die Beeinflussung amerikanischer Entscheidungsprozesse anstreben. Das Justizministerium muss zunächst nachweisen, dass Personen oder Organisationen in diesem Sinne agieren, bevor sie als "ausländische Agenten" in die FARA-Datenbank aufgenommen werden.

Hauptgebäude der Medienholding "Rossija Sewodnja" am Smolensker Boulevard in Moskau

RT und Sputnik gehören zur Medienholding "Rossija Sewodnja", die ihren Sitz im Zentrum Moskaus hat.

Bei FARA geht es vor allem um Transparenz

"Ausländische Agenten" sind verpflichtet, ihre Finanzquellen und Ausgaben regelmäßig offen zu legen. Wenn Informationsmaterialien verbreitet werden, müssen sie einen Hinweis enthalten, dass sie im Auftrag einer ausländischen Rechtsperson erstellt wurden.

Es gehe um Transparenz, erklärt Craig Holman von der Bürgerrechtsorganisation "Public Citizen" in Washington. "FARA war und ist schlicht ein Offenlegungsgesetz." Jede Person oder Organisation, die in den USA als "ausländischer Agent" gekennzeichnet werde, könne auch weiterhin in den USA lobbyieren und die öffentliche Meinung beeinflussen. Als Beispiel führt er die vom chinesischen Staat kontrollierte Zeitung "China Daily" an, die der chinesische Staat kontrolliert. Sie sei bereits vor Jahrzehnten als "ausländischer Agent" registriert worden und agiere weiter erfolgreich in den USA.

Kritik an Einstufung von RT und Sputnik

Gleichwohl kritisiert Holman den Umgang mit RT und Sputnik in den USA: "Trotzdem glaube ich, weder RT noch Sputnik sollten den FARA-Regeln unterstellt werden. Ich war häufig zu Gast bei RT. Die Medienorganisation scheint unabhängig genug von Putin zu handeln, als dass sie als 'ausländischer Agent' klassifiziert werden sollte", so Holman.

Washington

Als "ausländischer Agent" muss sich in Washington registrieren, wer Lobbying für eine ausländische Regierung oder ein ausländisches Unternehmen betreiben will.

FARA und ein weiteres Gesetz namens "Lobbying Disclosure Act" spielten in den USA in den vergangenen Jahren vor allem eine Rolle hinsichtlich von Lobbyorganisationen, die in Washington Kongress und Administration zu beeinflussen versuchen. Nach einem US-Medienbericht gab es in den vergangenen 50 Jahren lediglich sieben Gerichtsfälle wegen Verstößen gegen FARA.

In Russland liegt Beweispflicht bei Medien und NGOs

Doch was bedeutet Putins Ankündigung "symmetrischer Maßnahmen" gegen US-Medien in Russland? In Russland besteht seit fünf Jahren eine Registrierungspflicht als "ausländischer Agent" beim Justizministerium. Die russische Führung nannte FARA als Vorbild. Die Registrierungspflicht gilt für Organisationen aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten und "politisch aktiv" sind. Folge sind strenge Rechenschaftsregeln und eine Kennzeichnung ihrer Publikationen als "ausländischer Agent".

Die Beweispflicht liegt jedoch nicht beim Justizministerium. Vielmehr müssen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) dagegen klagen, wenn sie gegen ihren Willen in die Liste aufgenommen wurden. Der Gang vor Gericht bedeutet hohen Aufwand und geringe Erfolgsaussichten, denn im NGO-Gesetz ist nur sehr vage festgehalten, was als "politische Aktivität" gilt.

Deutlich härtere Konsequenzen

Die Kennzeichnung als "ausländischer Agent" kommt dennoch einer Stigmatisierung gleich. Denn dieser Begriff stand schon zu Sowjetzeiten für den Feind. Behörden und öffentliche Einrichtungen ziehen sich aus der Zusammenarbeit mit betroffenen NGOs zurück, ehrenamtliche Mitarbeiter verlieren ihre Jobs.

Zusätzlich zu den "ausländischen Agenten" wurde 2015 in Russland die Kennzeichnung als "unerwünschte Organisation" eingeführt. Sie gilt für ausländische und internationale Organisationen, die eine "Bedrohung für das Fundament der verfassungsrechtlichen Ordnung der Russischen Föderation, die Verteidigungsfähigkeit oder die Sicherheit des Staates darstellen". Welche Aktivitäten konkret darunter fallen, ist auch in diesem Fall nicht genau definiert.

Betroffene Organisationen dürfen in Russland nicht mehr aktiv sein, ihre Repräsentanzen müssen geschlossen werden. Russischen Bürgern und Institutionen ist unter Androhung von Geld- und Gefängnisstrafen eine Zusammenarbeit mit "unerwünschten Organisationen" verboten.

US-Organisationen in Russland "unerwünscht"

Bislang wurden mehrere US-amerikanische und eine in Großbritannien registrierte Organisation als "unerwünscht" erklärt. Dazu zählen die "Open Society Foundations" von George Soros und der "National Endowment for Democracy".

Inzwischen berichtete die russische Nachrichtenplattform RBC, es gebe eine Liste mit mindestens fünf US-Medien, deren Aktivitäten in Russland eingeschränkt werden könnten. Erstellt worden sei diese Liste von Mitgliedern des "Komitees für den Schutz der staatlichen Souveränität" des Föderationsrates - einer Kammer des russischen Parlaments.

Aufgeführt seien unter anderem CNN, Voice of Ameria und Radio Liberty. Maßnahmen gegen diese Medien würden die Schritte gegen RT und Sputnik vergelten, so Komitee-Mitglied Oleg Morosow.

"Repressive FARA-Version"

Dass sich die russische Führung bei ihren Maßnahmen immer wieder auf die USA und im Besonderen auf FARA als Vorbild bezieht, sorgt für Widerspruch. "Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein", sagt Bürgerrechtsexperte Craig Holman. "Putin hat in irreführender Weise FARA als Modell für russische Gesetze benutzt, nach denen jede russische NGO, die auch nur eine kleine finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhält, als 'ausländischer Agent' schikaniert werden kann", so Holman.

Blick ins Büro der russischen Wahlbeobachtergruppe Golos

Zu den betroffenen Organisationen zählt die russische Wahlbeobachtergruppe Golos.

Das gelte auch für "unerwünschte Organisationen", die ausgewiesen werden. "Russlands FARA-Version hat nichts mit Offenlegung zu tun. Es geht um staatliche Repression gegen jene, die Putin herausfordern." Holmans Meinung nach sollten Nachrichtenmedien dennoch von den FARA-Regeln ausgeklammert bleiben, solange sie über ein ausreichendes Maß an Unabhängigkeit verfügen, wie dies auf die BBC oder die Deutsche Welle zutreffe, die nicht FARA unterliegen.

Transparenzregeln für das Internet

Dass FARA nun auf RT und Sputnik angewendet werden soll, liegt an der Rolle, die ihnen im US-Präsidentschaftswahlkampf zugeschrieben wird. In den USA werden nun auch Forderungen laut, Internetfirmen wie Facebook zu Transparenz zu verpflichten - zum Beispiel darüber, wer wie viel politische Werbung gekauft hat.

Das bestätigt Holman und fügt hinzu: "Wir haben immer im Blick, dass Putin dies bemerken und seine repressive russische Version von FARA ebenfalls erweitern könnte. Er wird dann fälschlicherweise behaupten, dass er lediglich dem amerikanischen Modell folgt."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. März 2017 um 18:40 Uhr in der Sendung "Hintergrund" und am 12. April 2017 um 05:44 Uhr.