Autos unscharf fotografiert

Subventionen und Kaufprämien So fördert der Staat die Autoindustrie

Stand: 02.08.2017 11:21 Uhr

Der Automobilbau ist eine deutsche Schlüsselindustrie und macht Milliarden-Umsätze. Der Staat unterstützt die Branche durch verschiedene Subventionen, Förderungen und Begünstigungen - direkt und indirekt.

Von Kristin Becker, SWR

Mehr als 400 Milliarden Euro Umsatz hat die Autoindustrie laut Statistischem Bundesamt 2016 erwirtschaftet, fast 830.000 Menschen sind bei Herstellern und Zulieferern beschäftigt. Die Autobranche ist wichtig - und sie wird von der öffentlichen Hand auf verschiedene Weise unterstützt.

Bundesmittel

In den vergangenen zehn Jahren hat die Autoindustrie in Deutschland insgesamt rund 1,15 Milliarden Euro an Subventionen vom Bund erhalten, den Großteil für Forschung und Entwicklung, aber auch für Investitionen. So schreibt es die Bundesregierung in der Antwort auf eine "Kleine Anfrage", die die Fraktion Die Linke im Mai gestellt hat.

Wie daraus hervorgeht, hat der Bund zudem seit 2012 für fast 800 Millionen Euro bei den großen Herstellern Fahrzeuge eingekauft - allen voran bei Daimler und Volkswagen.

In Kontext der Elektromobilität investiert der Bund zudem in die Ladeinfrastruktur. Rund 300 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Außerdem soll der Anteil von Elektrofahrzeugen am bundeseigenen Fuhrpark steigen: auf zukünftig ein Fünftel. Dazu stellt die Bundesregierung weitere 100 Millionen Euro bereit.

Landesmittel

Auch auf Landesebene wird die Branche gefördert. Der ARD-Faktenfinder hat bei den Bundesländern mit relevanter Automobilwirtschaft nachgefragt.

In Baden-Württemberg wurden laut den dortigen Wirtschafts- und Verkehrsministerien keine Landesmittel direkt für die Automobilindustrie eingesetzt. Allerdings wurde die Branche indirekt unterstützt etwa durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur und Gelder für Forschungsverbünde. Für drei Landesinitiativen zur Elektromobilität wurden bzw. werden seit 2010 123,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Kretschmann mit Zetsche

Daimler-Chef Zetsche mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann

Bayern hat die Autoindustrie in den vergangenen fünf Jahren mit rund 25 Millionen unterstützt - der Großteil entfiel auf Zulieferer, die im Rahmen von Innovations-, Technologie- oder Regionalförderung Geld bekamen. Hersteller wurden im Bereich Elektromobilität subventioniert.

Bremen hat in den vergangenen zehn Jahren rund 3 Millionen Euro für die Förderung von Forschung und Entwicklung sowie für Investitionen ausgegeben. Unterstützt wurden dabei ausschließlich Zulieferer, Automobilkonzerne selbst erhielten keine Landesförderung.

Sachsen hat seit 2007 Investitionen in Höhe von rund 92,7 Millionen Euro bezuschusst. Zudem hat der Freistaat im Rahmen der Technologieförderprogramme Projekte von Unternehmen der Automobilbranche mit rund 1,26 Millionen Euro kofinanziert.

Das Saarland hat zwischen 2008 und 2017 Zuschüsse von rund 61 Millionen Euro für die Autoindustrie bewilligt.

Hessen hat sich 2009 mit 447 Millionen Euro an einem Bund/Länder-Überbrückungskredit für Opel beteiligt.

Niedersachsen hat sich bisher nicht auf die Anfrage geäußert.

Nordrhein-Westfalen hat zwischen 2007 und 2017 Landesmittel in Höhe von rund 4 Millionen Euro für die Automobilbranche zur Verfügung gestellt.

Thüringen hat die Branche im Rahmen seiner Wirtschaftsförderung zwischen 2007 und 2016 mit rund 112,7 Millionen Euro unterstützt. Hinzu kommen Darlehen im Umfang von 104,9 Mio. Euro, die allerdings zurückgezahlt werden mussten bzw. müssen. Im Bereich der Forschungs- und Technologieförderung flossen zudem etwa 2,5 Millionen Euro an Autohersteller und Zulieferer.

In einer Produktionshalle der BMW Group Werk Eisenach nehmen Mitarbeiter ein Teil einer Pkw-Motorhaube aus einer Einarbeitspresse.

Produktionshalle der BMW Group, Werk Eisenach

Aufgrund der komplexen Bestimmungslage haben die oben genannten Zahlen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern geben nur Hinweise darauf, wie die Bundesländer die Automobilbranche gefördert haben.

Staatliche Kaufförderung

Wiederholt hat die Fahrzeugbranche von staatlicher Förderung beim Autokauf profitiert.

Prominentestes Beispiel: die Umweltprämie bzw. "Abwrackprämie" von 2009. Sie war eine der Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung, die in der Finanzkrise schwächelnde Konjunktur ankurbeln wollte. 2.500 Euro bekam, wer ein altes Auto verschrotten ließ, um ein neues zu kaufen. Der Bund gab dafür insgesamt 5 Milliarden Euro aus.

Seit 2016 gibt es Zuschüsse vom Staat für den Kauf eines Elektro- oder Hybridautos. 600 Millionen Euro stellt die Bundesregierung dafür zur Verfügung, ebenso viel wie die Autoindustrie. Die Prämie reicht für mehr als 300.000 Autos, bis Ende Juli wurden allerdings nur rund 26.600 Anträge gestellt.

Und auch über eine "Dieselprämie" etwa in Form von Steuervergünstigungen wird derzeit diskutiert. Diese hatten die Ministerpräsidenten von Bayern und Niedersachsen in Spiel gebracht, um Autofahrer zu animieren, auf neuere Diesel-Fahrzeuge umzusteigen. Das Bundesumweltministerium lehnt eine solche Maßnahme allerdings ab.

Diesel-Steuervergünstigung

An der Tankstelle werden die Autobauer, vor allem die, die Dieselautos produzieren, ebenfalls unterstützt – zumindest indirekt. Schon seit Jahren wird Dieselkraftstoff gegenüber Benzin steuerlich begünstigt, besonders stark seit Anfang der 1990er Jahre.

Das heißt: Diesel zu tanken ist in Deutschland deutlich günstiger als Benzin und zwar um fast 22 Cent pro Liter. Ursprünglich sollte damit das Speditionsgewerbe unterstützt werden, Diesel-PKW spielten früher kaum eine Rolle. Inzwischen ist die Dieselautoflotte allerdings deutlich angewachsen und macht laut Kraftfahrtbundesamt ca. 33 Prozent aller in Deutschland zugelassenen PKW aus. Die deutsche Autoindustrie hat in hohem Maß auf diese Antriebstechnologie gesetzt.

Durch die Vergünstigung an der Zapfsäule gehen dem Staat derzeit jährlich etwa 8 Milliarden Euro an Energiesteuer verloren. Das hat eine "Kleine Anfrage" der Grünen an die Bundesregierung ergeben. Hinzu kommen niedrigere Einnahmen bei der Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer. Dem gegenüber steht die höhere KFZ-Steuer für Dieselautos. Allerdings, so Experten, wer viel fährt, hat das schnell wieder rein. Dem Staat entgeht so viel Geld. Anhand eines Beispieljahres rechnet das Umweltbundesamt vor:

Ein Diesel-Zapfhahn an einer Tankstelle

Diesel-Zapfhahn an einer Tankstelle

Den Staat kostet die Subventionierung im Jahr 2014 7,8 Mrd. Euro, gut 3,5 Mrd. davon für die Pkw-Nutzung. Selbst bei Abzug der höheren Kfz-Steuern für Diesel-Autos sind das rund 1,5 Mrd. Euro vom Staat für die Selbstzünder in 2014. Vor allem Vielfahrer profitieren unter dem Strich erheblich von der Kraftstoffverbilligung.

Dienstwagenprivileg und Pendlerpauschale

Der Autoindustrie nutzt außerdem die steuerliche Bevorteilung von Dienstwagen. Einerseits sind dabei für den Arbeitgeber Anschaffungs-, Betriebs- und Tankkosten absetzbar, andererseits profitiert der Arbeitnehmer von der niedrigen pauschalen Besteuerung für die private Nutzung. Beides macht es attraktiv, Dienstwagen anzuschaffen. Das Umweltbundesamt schätzt die Steuervergünstigung auf mindestens 3,1 Milliarden Euro, andere Berechnungen liegen noch deutlich höher. Auch das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft kritisiert das Dienstwagenprivileg als Subvention:

Tendenziell entstehen im Vergleich zur Privatanschaffung Anreize, teurere und größere Fahrzeuge zu kaufen und diese extensiver zu nutzen.

Das Umweltbundesamt beanstandet zudem die Pendlerpauschale, durch die der Staat jährlich auf etwa 5,1 Milliarden Euro verzichtet. Sie begünstige vor allem den PKW-Verkehr, da der Großteil der Berufspendler das Auto für den Weg zur Arbeitsstelle nutze.

Ein Stau

Stau auf der Stadtautobahn in Berlin

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 31. Juli 2017 um 07:18 Uhr.