Berichte über Anstieg Gefahr durch Krätze und TBC?
Die Zahl der Fälle von Krätze und Tuberkulose ist offenkundig durch den Andrang von Flüchtlingen gestiegen. Populisten versuchen, Angst vor einer Epidemie zu schüren. Doch Experten geben Entwarnung.
Der bayerische AfD-Politiker Andreas Winhart sorgte kurz vor der Wahl noch einmal für Aufregung. Zum einen äußerte er sich auf rassistische Weise, zum anderen behauptete er, dass mit Geflüchteten auch Krankheiten in den Landkreis Rosenheim zurückgekommen wären: "Es gibt Krätze, es gibt TBC wieder. Das sind Krankheiten, die habe ich seit Jahren bei uns im Landkreis nicht mehr gesehen." Neben Tuberkulose (TBC) und Krätze seien es auch "unglaublich viele HIV-Fälle", behauptete Landtagskandidat Winhart in Anwesenheit von AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel.
Für seine Aussagen habe er das Gesundheitsamt das Thema "nachrecherchieren lassen", so der AfD-Politiker weiter.
Doch das Amt widerspricht in einer Stellungnahme: "Wir stellen fest, dass 'unglaublich viele HIV-, TBC- und Krätzefälle' wie Winhart behauptet, durch das Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Rosenheim nicht bestätigt werden können."
Die Stellungnahme enthält zudem die Fallzahlen, die Winhart übermittelt wurden. So lägen beispielsweise bei zwei Asylsuchenden positive HIV-Testergebnisse vor. Dem Gesundheitsamt lägen zudem zwischen 2017 und 2018 Meldungen zu sieben Fällen von Skabies (Krätze) in drei Unterkünften vor. Weiter heißt es in der Stellungnahme:
Das RKI (Robert Koch-Institut) sieht keine relevante Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Asylsuchende.
Allerdings gibt es immer wieder Berichte über die genannten Krankheiten, insbesondere die Krätze. Sie sei "auf dem Vormarsch" und "extrem gestiegen". In manchen Regionen Deutschlands scheint die Lage dramatisch: Es herrsche "Krätze-Alarm im Ruhrgebiet" und in Hamburg soll sich die Zahl der Betroffenen verdoppelt haben, berichten Medien.
Angstmache mit "eingewanderten Krankheiten"
Vor allem in sozialen Medien ist zu lesen, dass daran die Flüchtlinge schuld seien. Rechte Blogs und Nachrichtenseiten befeuern das Bild der "eingewanderten Krankheiten". Schon mehrfach mussten Behörden - wie zuletzt in Gießen - Falschbehauptungen korrigieren.
Dennoch heißt es immer wieder, Flüchtlinge schleppten angeblich ausgestorbene Krankheiten ein, beispielsweise drohe eine gefährliche Krätze-Epidemie.
Zahl der Fälle gestiegen
Weltweit zählt Skabies, so die Fachbezeichnung für Krätze, zu den häufigsten Hauterkrankungen überhaupt. Die Statistiken in Deutschland sind lückenhaft, denn es besteht keine generelle Meldepflicht. Anhand der stationären Aufnahmen lässt sich aber das Auftreten nachvollziehen.
Im Jahr 2000 wurden laut Statistischem Bundesamt 2727 Krätze-Fälle in Krankenhäusern stationär behandelt, ähnlich viele wie im Jahr 2015. In den Jahren dazwischen ging die Zahl zunächst deutlich zurück, seit 2010 steigen sie wieder. Experten sprechen von Wellen, in denen Skabies vorkommt. Allerdings stieg die Zahl der stationären Fälle in den Jahren 2015 und 2016 (3860 Fälle) im Vergleich zu den Vorjahren deutlich an.
Die Häufung von Krätzefällen dürfte mit dem Andrang von Flüchtlingen teilweise zusammenhängen. Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) kommt es bei Migrationsbewegungen häufiger zu Krätze-Ausbrüchen: "Einerseits stammen insbesondere Asylsuchende häufig aus Ländern, in denen die Prävalenz der Skabies hoch ist, andererseits erhöhen die Verhältnisse während der Flucht das Risiko, dass Krätzemilben von einer Person auf andere Personen übertragen werden."
Das RKI betont aber auch: "Skabies kann generell in allen Arten von Gemeinschaftsunterkünften und -einrichtungen, zum Beispiel in Kindergärten, Schulen oder Pflegeheimen auftreten."
Krätze-Behandlung meist sehr einfach
Dass es keine genauen Zahlen aus Kitas oder Heimen gibt, hat mit dem Krankheitsbild selbst zu tun. Übertragen wird Skabies durch Krätzmilben. Deren bevorzugter Wirt: der Mensch. In der Regel geschieht die Übertragung durch engen Haut- oder Sexualkontakt, aber auch durch Bettwäsche, Kleidung oder sogar Plüschtiere. Die Folge sind leichtes Brennen, starker Juckreiz und ein unangenehmer Hautausschlag.
Die Therapie ist meist einfach: Cremes oder Tabletten sind effektiv, zusätzliche Maßnahmen wie eine stationäre Einweisung hingegen selten erforderlich. Aus diesem Grund ist Krätze nicht allgemein meldepflichtig.
Zur Behandlung hartnäckigerer Krätzefälle hat sich vor allem ein Präparat bewährt. Doch der einzige Hersteller, der in Deutschland das Medikament Scabioral produziert, meldete Anfang des Jahres Engpässe. Grund: eine stark gestiegene Nachfrage. Seit April ist das Medikament aber vorrätig.
Geringe Tuberkulose-Zahlen - trotz Zunahme
An Tuberkulose starben 2015 weltweit rund 1,4 Millionen Menschen. In Deutschland ist Tuberkulose eine extrem seltene Todesursache. Zugleich ist die Zahl der gemeldeten Erkrankungsfälle hierzulande seit 2013 gestiegen - wohl auch aufgrund der Migration.
Eine Auswertung des Robert-Koch-Instituts ergab, dass in der deutschen Bevölkerung die Fallzahlen abnehmen. Brit Häcker, die für das Zentralkomitee zur TBC-Bekämpfung tätig ist, erklärt das so: "Die Zunahme ist bedingt durch mehr Migranten, die Tuberkulose aus ihren Herkunftsländern mitbringen und nicht durch eine Übertragung von Migranten auf Deutsche." Die Ärztin betont, dass in Deutschland nicht viele Übertragungen stattfinden.
Laut Häcker gab es während der Flüchtlingskrise 2015 in Deutschland knapp 6000 TBC-Fälle, in rund sieben von zehn Fällen waren die Neuerkrankten nicht hierzulande geboren. "Für den Normalbürger ist Tuberkulose generell keine Gefahr", sagt Häcker.
Höheres Risiko durch Flucht
Übertragen wird TBC durch Tröpfcheninfektion, schon ein Niesen kann genügen. Menschen, die den Tuberkuloseerreger in sich tragen, werden aber nicht automatisch krank: Ärzte schätzen, dass ungefähr jeder dritte Mensch auf der Welt zwar infiziert ist, aber von ihnen gerade mal fünf bis zehn Prozent erkranken. Die Erkrankung kann auch erst Jahrzehnte später auftreten, beispielsweise im Rentenalter.
Asylsuchende kommen häufig aus Ländern, in denen Tuberkulose-Erkrankungen verbreitet sind. Dort haben sie sich angesteckt und die Flucht schwächt das Immunsystem. Das erhöht das Risiko zu erkranken. "Man geht davon aus, dass bei einem Großteil der Patienten eine sogenannte Reaktivierung stattfindet oder sie sich auf der Flucht anstecken", sagt Medizinerin Häcker.
Jahr | Gemeldete Fälle |
---|---|
2001 | 7515 |
2002 | 7684 |
2003 | 7158 |
2004 | 6542 |
2005 | 6045 |
2006 | 5378 |
2007 | 4998 |
2008 | 4543 |
2009 | 4427 |
2010 | 4388 |
2011 | 4317 |
2012 | 4389 |
2013 | 4340 |
2014 | 4526 |
2015 | 5852 |
2016 | 5915 |
Fazit: Keine Gefahr für Gesamtbevölkerung
Für die Behauptung, erst durch die Flüchtlingsbewegung seien Krätze und TBC zurückgekommen, spricht wenig: Die Krankheiten waren in Deutschland nie ausgestorben.
Insgesamt gibt es mehr Fälle von Krätze und TBC. Jedoch sind sie laut Experten keine Gefahr für die Gesamtbevölkerung, sondern medizinisch lösbare Herausforderungen.