Freibäder in Berlin Angstmache am Beckenrand
Glaubt man Berichten im Netz und in einigen Medien, kann man Freibäder in Berlin kaum noch betreten. Die AfD veröffentlichte nun ein Video über ein angebliches "Chaosbad". Betreiber und Polizei widersprechen.
"Unsere Freibäder gehen vor die Hunde", "Angstraum Freibad", "Strafakte Schwimmbad" - schaut man im Netz nach Informationen zu Freibädern, stößt man schnell auf solche Schlagzeilen und Warnungen vor sexuellen Übergriffen und Gewaltorgien am Beckenrand. Vor allem die AfD setzt mittlerweile seit Jahren auf das Thema, aber auch große Medien greifen immer wieder Zahlen über die Kriminalität in Schwimmbädern auf.
Die "Bild"-Zeitung hatte im Juli in einem Beitrag mit der Schlagzeile "Bäuche, Burkinis und nackte Brüste" berichtet, das Prinzenbad in Berlin-Kreuzberg sei "immer wieder" ein "Schauplatz von Krawallen". Nun musste das Blatt eine Gegendarstellung veröffentlichen. Darin stellten die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) fest, es habe keinen einzigen Krawall gegeben.
Zudem hatte die "Bild" berichtet, es habe allein im vergangenen Jahr 122 Straftaten in dem Bad gegeben. Diese Zahl findet sich tatsächlich in einer Antwort des Senats auf eine FDP-Anfrage. Dort wird allerdings darauf hingewiesen, dass sich diese Taten nicht nur auf das Schwimmbad beziehen, sondern auch auf den Nahbereich - und zwar auch in den sieben Monaten des Jahres, in dem das Sommerbad gar nicht geöffnet war.
Von den 122 Straftaten entfielen 90 auf "sonstige", dazu zählen Hausfriedensbruch, besonders schwerer Diebstahl an/aus Pkw oder Unterschlagung. Bei den Sexualdelikten, von denen oft die Rede ist, wurde im oder am Prinzenbad für 2018 eine Straftat registriert, 2017 keine, 2016 wiederum eine.
Mehr als sechs Millionen Besucher
Jährlich besuchen weit mehr als sechs Millionen Menschen die Hallen-, Frei- und Strandbäder der Berliner Bäder-Betriebe. In keinem anderen Bundesland kommen auf ein Freibad so viele Besuche, dementsprechend voll sind die Anlagen oft.
Der Antwort des Senats zufolge hatte es in oder rund um die mehr als 50 Bäder in der Hauptstadt im Jahr 2016 insgesamt 16 Sexualdelikte gegeben. 2017 waren es 15 und im vergangenen Jahr zwölf. Das heißt, die Zahl ist demnach rückläufig. Auch diese Delikte müssen nicht in dem Bad selbst begangen worden sein. In den meisten Berliner Bädern wurden in den vergangenen Jahren gar keine Sexualdelikte registriert. Zumeist werden "sonstige Delikte" oder "einfacher Diebstahl" gezählt.
"Chaosbad" in Pankow?
Die AfD-Jugendorganisation in Berlin berichtet hingegen von ganz anderen Zuständen: In einem Video behauptet ein angeblicher Mitarbeiter eines Schwimmbads in Pankow, man habe "viele Sexualdelikte". Das komme "eigentlich regelmäßig vor". Zudem behauptet der anonym auftretende Mann, es habe "letztens eine Massenschlägerei mit 300 Leuten" am Columbiabad gegeben. Daraufhin habe man Polizisten geholt, die an warmen Sommertagen stets in drei oder vier Einsatzfahrzeugen vor dem Bad warten würden.
Auf Anfrage des ARD-faktenfinder erklärte die Polizei Berlin, diese Angaben seien falsch. Eine solche Massenschlägerei sei dem zuständigen Polizeiabschnitt nicht bekannt. Außerdem sei es nicht so, dass dauerhaft drei bis vier Einsatzwagen vor den Schwimmbädern im Einsatz sind. Es würden "jedoch anlassunabhängig und in unregelmäßigen Zeitabständen Präsenzmaßnahmen durchgeführt". Weiterhin sei "regelmäßig die Präventionsbeauftragte des Polizeiabschnitts 13 im Sommerbad Pankow präsent".
"Völlig überzogen und teilweise falsch"
Auf Anfrage des ARD-faktenfinder teilten die Berliner Bäder-Betriebe mit, man prüfe noch, ob es sich bei dem Mann in dem Video tatsächlich um einen Mitarbeiter handelt. Die Aussagen über angebliche Vorfälle im Sommerbad Pankow seien völlig überzogen und teilweise falsch. "Sicherlich kommt es auch in Berliner Sommerbädern zu Konflikten, da hier unterschiedliche Nutzergruppen aus allen Bereichen der Gesellschaft aufeinandertreffen. Die Anzahl der Vorfälle ist in unseren Bädern jedoch in den letzten Jahren immer weiter gesunken", erklärten die Bäder-Betriebe.
Die Junge Alternative präsentierte ein Video über das angebliche "Chaosbad".
An besonders heißen Tagen würden die Bäder durch zusätzliche Sicherheitskräfte unterstützt. Außerdem arbeite man eng mit der Polizei zusammen. "Zusammenrottungen von Jugendlichen oder Bäderräumungen durch die Polizei" seien in Berliner Bädern in den letzten Jahren aber nicht vorgekommen.
In dem Video wird zudem behauptet, erteilte "Hausverweise" seien sinnlos, da sie lediglich für 24 Stunden gelten. Auch diese Aussage sei falsch, erklärte eine BBB-Sprecherin. "Ein Hausverbot kann für mindestens 24 Stunden ausgesprochen werden, die maximale Länge ist unbegrenzt." Die Beschäftigten in den Bädern dürften mündlich Hausverbote für mindestens 24 Stunden und bis zu fünf Tagen erteilen. Bei Hausverboten, die länger als eine Woche gelten sollen, müsse es schriftlich erfolgen.
"Terror" und "Gewalt" in Düsseldorf?
Auch in Düsseldorf hatte es angeblich mehrfach schwere Ausschreitungen in Freibädern gegeben. Von "Terror" und "Gewalt" war die Rede, von "Nordafrikanern", die ein Freibad in Angst und Schrecken versetzt hätten. Eine Monitor-Recherche zeigte aber, dass von den Behauptungen wenig übrig bleibt.
Monitor machte zudem eine Umfrage in den 20 größten deutschen Städten zur Kriminalität in Freibädern. Ergebnis: Eine Zunahme lässt sich nicht feststellen.
Die AfD hatte im Juli 2018 behauptet, immer weniger Menschen würden Freibäder besuchen, schuld sei die "Willkommenskultur". Tatsächlich meldeten viele Freibäder Besucherrekorde - vor allem in den großen Städten. In der Hauptstadt wird die Freibadsaison in diesem Jahr sogar verlängert.
Öffentliche Bäder teilweise marode
Viele Bäder sind allerdings marode. Im Juni ging eine Liste von Anträgen über mehr als 400 Sanierungsprojekten beim Bundesinnenministerium ein, doch viele Bäder bekommen wohl kein Geld. Unter anderem die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ruft daher dazu auf, die Bäder zu retten. Sie seien "Wirtschaftsfaktor, Teil des Lehrplans in den Schulen, sozialer Treffpunkt und Wettkampf- sowie Trainingsraum".