Thüringer Landtag
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Kemmerichs Regierungsplan Praktisch und theoretisch unmöglich

Stand: 06.02.2020 09:56 Uhr

Thüringens neuer Ministerpräsident Kemmerich will ohne AfD und Linkspartei Mehrheiten organisieren. Doch SPD und Grüne haben eine Zusammenarbeit bereits ausgeschlossen. Und auch theoretisch ist der Plan unmöglich.

Von Patrick Gensing, ARD-aktuell

Von Patrick Gensing, ARD-faktenfinder

Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich hat erneut Neuwahlen in Thüringen abgelehnt. Im ARD-Morgenmagazin sagte der Ministerpräsident, er habe eine "große Aufgabe" übernommen. Nun beginne die Arbeit. Er hoffe, die demokratischen Parteien gingen nun aufeinander zu und arbeiteten zusammen. Mit der AfD werde es keinerlei Zusammenarbeit geben, bekräftigte er.

Kemmerich hatte bereits gestern angekündigt, er wolle Mehrheiten ohne AfD und Linkspartei organisieren. SPD und Grüne winkten aber bereits ab und lehnten jede Kooperation mit einem Ministerpräsidenten ab, der von der AfD gewählt wurde.

Keine Mehrheiten ohne AfD oder Linkspartei

Aber wie will Kemmerich Mehrheiten ohne AfD und Linkspartei organisieren - zumindest theoretisch? Nach der Landtagswahl vom Oktober verfügen Linkspartei (29), SPD (8) und Grüne (5) zusammen über 42 Mandate. AfD (22), CDU (21) und Liberale (5) kommen insgesamt auf 48 Stimmen. Union und FDP lehnten bisher eine formale Zusammenarbeit mit der Linken wie der AfD kategorisch ab.

Kemmerich konnte nur Ministerpräsident werden, weil die AfD für ihn gestimmt hatte. Auch die vorzeitige Beendigung der Sitzung am Mittwoch konnte er nur durch die Unterstützung der AfD durchsetzen. Eine Mehrheit ohne Unterstützung der AfD ist zudem theoretisch überhaupt nicht möglich, selbst wenn CDU und auch SPD sowie Grüne den FDP-Politiker bei einzelnen Vorhaben unterstützen würden. Das Vorhaben des Ministerpräsidenten ist rechnerisch schlicht unmöglich.

Wie Kemmerich dennoch eine handlungsfähige Regierungsarbeit leisten möchte, erscheint vollkommen unklar. Er ist faktisch auf die Unterstützung der AfD angewiesen.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Björn Höcke, gratuliert dem neuen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich.

Höcke gratuliert Kemmerich zur Wahl.

Angesichts dieser Konstellation fordern viele Politikerinnen und Politiker baldige Neuwahlen. Doch auch dieser Schritt ist kompliziert. Grund ist, dass dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag nötig wäre. Da AfD, CDU und FDP aber Neuwahlen ablehnen, ist diese Mehrheit nicht in Sicht.

Schwieriger Weg zu Neuwahlen

Alternativ wären Neuwahlen nach einer erfolglosen Vertrauensfrage und anschließend gescheiterter Wahl eines neuen Ministerpräsidenten denkbar. "Er würde die Vertrauensfrage stellen, dann gibt es eine Abstimmung und dann müssten die Abgeordneten ihm das Vertrauen aussprechen", sagte der Politologe André Brodocz der dpa. Um das Vertrauen zu erhalten, wäre eine absolute Mehrheit nötig - also 46 Stimmen. Sollte das Vertrauen nicht ausgesprochen werden, hätte der Landtag drei Wochen Zeit, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen. Sollte dies in dieser Frist nicht gelingen, gäbe es Neuwahlen.

Voraussetzung dafür ist aber, dass Kemmerich die Vertrauensfrage selbst stellt. Und dies lehnt er ab.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste am 06. Februar 2020 um 08:07 Uhr im ARD-Morgenmagazin.