Ermittlungen gegen Manafort Das Geschäft mit dem Lobbying
Die Ermittlungen gegen Trumps Ex-Wahlkampfmanager Manafort lassen auch die Tätigkeiten europäischer Politiker in neuem Licht erscheinen, nicht zuletzt die eines deutschen Ex-EU-Kommissars.
Ob US-Sonderermittler Robert Mueller einen Beweis direkter Verbindungen zwischen der russischen Führung und Präsident Donald Trump erbringen wird, ist offen.
Derzeit stehen Geschäfte seines ehemaligen Wahlkampfberaters Paul Manafort und von dessen Partner Rick Gates im Mittelpunkt. Im Raum steht der Vorwurf der Geldwäsche, Steuerhinterziehung, des Kreditbetrugs und des gesetzwidrigen Verschweigens von Lobbyingaktivitäten in den USA. Dies könnte als Druckmittel gegen Manafort dienen, um ihn zu Aussagen über Trump zu bewegen.
Aktiv für Janukowitsch
Es geht dabei um Aktivitäten Manaforts und von Gates für den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und seine "Partei der Regionen", aus denen sich womöglich gar kein Beweis für Verbindungen nach Russland ergibt. Deutlich aber wird bei den Ermittlungen, wie fragwürdig und kontraproduktiv Lobbying sein kann.
Ins Licht geraten nun auch ehemalige europäische Politiker. Denn zu den bisher schon vorliegenden Anklagepunkten gegen Manafort und Gates kam am Freitag der Vorwurf, sie hätten heimlich eine Gruppe ehemaliger europäischer Spitzenpolitiker engagiert. Diese sollen sich 2012 und 2013 für den damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und dessen "Partei der Regionen" eingesetzt haben.
Trumps ehemaliger Wahlkampfberater Manafort ..
Janukowitsch stand damals bereits in seiner Heimat in der Kritik, weil er und seine Familie sich stärker noch als andere Oligarchen an den staatlichen Ressourcen bereicherten. Er versuchte, sich sowohl mit Russland, als auch mit der EU gut zu stellen. Als er im November 2013 auf Druck Russlands die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU verweigerte, begannen zunächst die Proteste auf dem Maidan in Kiew und Monate später der Krieg in der Ostukraine.
Ein Jahr zuvor soll Manafort der Anklage zufolge heimlich einige europäische Politiker unter dem informellen Namen "Habsburg-Gruppe" (im Englischen auch Hapsburg geschrieben) ausgesucht und als unbezahlte Experten getarnt haben. Für deren Lobbyarbeit unter anderem in Washington seien zwei Millionen Dollar über mindestens vier Offshore-Konten geflossen. Geleitet worden sei die "Habsburg-Gruppe" von einem "europäischen Kanzler".
Wer zählte zur "Habsburg-Gruppe"?
Ein naheliegender Gedanke ist, dass Altkanzler Gerhard Schröder gemeint sein könnte, der kurz nach dem Ausscheiden aus seinem Amt für eine russische Firma tätig wurde. Doch dass er sich für die Ukraine eingesetzt hätte, ist nicht bekannt. Unterlagen weisen auf einen anderen Sozialdemokraten hin, der 2007 bis 2008 in Österreich Kanzler war: Alfred Gusenbauer.
Österreichs Ex-Kanzler Gusenbauer - führte er die "Habsburg-Gruppe"?
Sein Name taucht in einem Dokument auf, das die US-Lobbying-Firma Podesta beim US-Justizministerium 2017 nachträglich einreichte. Podesta gab dabei an, sich im Auftrag der Organisation "European Centre for a Modern Ukraine" (ECfMU) aus Brüssel für bessere Beziehungen zwischen dem Westen und der Ukraine eingesetzt zu haben. Dazu seien Treffen und Medientermine arrangiert worden, darunter mit Gusenbauer und Romano Prodi, von 1999 bis 2004 EU-Kommissionspräsident.
Beide Namen finden sich zudem in einem Dokument der US-Lobbyfirma Mercury, die 2017 ebenfalls nachträglich ein Dokument beim US-Justizministerium einreichte, in der sie ihre Lobbyaktivität im Auftrag des ECfMU offenlegte.
Gusenbauer bestätigte der Zeitung "Die Presse" aus Wien, in Washington US-Abgeordnete getroffen zu haben. Er habe auch Geld für seine Lobbytätigkeit für die Ukraine erhalten. Eine "amerikanische oder englische Firma" habe ihn bezahlt. Prodi räumte ein, aus "normalen privaten Beziehungen" mit Gusenbauer eine "Entschädigung" erhalten zu haben. Gusenbauer und auch Prodi erklärten, nicht für Janukowitsch Lobbying betrieben zu haben.
Verheugen als Podiumsgast
Gusenbauer und Prodi traten auch in Berlin in Sachen Ukraine auf: Im Oktober 2012 lud der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zu einer Veranstaltung über die Ukraine und die EU ein. In einem Bericht des "Deutsch-Ukrainischen Forums" darüber heißt es, die Veranstaltung sei vom ECfMU "angeregt worden".
Neben Gusenbauer und Prodi auf dem Podium: der SPD-Politiker Günter Verheugen, der während Prodis Amtszeit EU-Erweiterungskommissar in Brüssel war. Gusenbauer und Verheugen wiederum kennen sich offenbar auch aus anderen Zusammenhängen: So berichtete die Zeitung "Der Standard", dass beide 2013 in den Aufsichtsrat einer Firmentochter des österreichischen Glücksspielkonzerns Novomatic gewählt wurden.
Verheugen nahm auch an einer Podiumsdiskussion in Berlin teil, zu der das ECfMU und die Politikagentur "Berlin Economics" eingeladen hatten. Das war kurz vor der Absage des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch an die EU - im November 2013. Sowohl auf der Veranstaltungsankündigung als auch auf einem Banner hinter dem Podium war das Symbol der ECfMU abgedruckt.
Auf Anfrage von tagesschau.de Ende Oktober 2017 erklärte Verheugen dazu, er könne sich nicht mehr genau erinnern, von wem die Einladung zu dieser Veranstaltung damals ausgegangen sei. Zu 100 Prozent könne er ausschließen, dass er ein Honorar oder Reisekostenerstattung bekommen habe. Zur ECfMU habe er auch danach keinerlei Kontakt gehabt.
Die Lobbyfirma Fleishman-Hillard
Interessant ist jedoch, dass Einladungen zu dieser Veranstaltung von der Lobbyfirma Fleishman-Hillard versandt wurden. Denn eine Verbindung zwischen Verheugen und Fleishman-Hillard gibt es bereits seit Juli 2010: Damals, schon kurz nach seinem Ausscheiden als EU-Industriekommissar, engagierte Fleishman-Hillard Verheugen als Mitglied seines internationalen Beratungsgremiums, dem er bis heute angehört.
Fleishman-Hillard verschickte im Namen des ECfMU nicht nur Einladungen zu dieser Veranstaltung. Es wurde zum Beispiel auch ein Positionspapier des ECfMU-Präsidenten Leonid Kozhara versandt. Er war ein Parteikollege und außenpolitischer Berater von Janukowitsch.
Noch bis Mitte Februar 2014, als die Lage auf dem Maidan eskalierte und Janukowitsch schließlich aus der Ukraine floh, versandte Fleishman-Hillard im Namen des ECfMU und seiner Geschäftsführerin Ina Kirsch Einladungen zu Pressebriefings in Kiew. E-Mails dazu liegen tagesschau.de vor.
Wer steht hinter dem ECfMU?
Das ECFMU war im Transparenzregister der EU als unabhängige Nichtregierungsorganisation registriert. Aber: "Auch wenn die Organisation vorgab, unabhängig zu sein, wusste doch jeder in Brüssel, dass sie ein Lobby-Instrument für die 'Partei der Regionen' war", sagte Amanda Paul vom Brüsseler Think Tank "European Policy Centre" im Mai 2014 im Interview mit tagesschau.de. Sie hatte 2013 an der Veranstaltung mit Verheugen in Berlin teilgenommen.
Das ECfMU sei in Berlin, Paris und London aktiv gewesen, um einen Imagewechsel für Janukowitsch und seine "Partei der Regionen" zu erreichen, so Paul. Es habe mehrere Oligarchen in der Ukraine gegeben, die pro-europäische Initiativen finanziert hätten. Sie nannte die Namen Viktor Pinchuk, Rinat Achmetow und Petro Poroschenko, heute Präsident der Ukraine.
In den Anklageschriften von Sonderermittler Mueller gegen Manafort wird das ECfMU als Instrument Manaforts dafür genannt, heimlich und verdeckt für Imagepflege für Janukowitsch betrieben zu haben.
Manaforts Geld auf der Spur
Geschäftsführerin des ECfMU war Ina Kirsch, die laut "Spiegel" als Mitarbeiterin der Sozialdemokraten in Brüssel arbeitete, bevor sie 2011 die Geschäfte des ECfMU übernahm. Dem Magazin erklärte sie kürzlich, sie habe Manafort drei Mal getroffen, der habe ihr den Tipp gegeben, die Lobbyfirmen Podesta und Mercury anzuheuern, um in Washington aktiv zu werden. Beide Firmen hätten jedoch für Manafort offenbar noch weitere Aufträge ausgeführt.
Die Untersuchungen von Sonderermittler Mueller sollen nun Klarheit bringen, woher Manafort das Geld für das Lobbying bekam, aber auch, wie weit Kirsch in die Geschäfte Manaforts verwickelt war und ob europäische Politiker profitiert haben.
Das ECfMU trat nach Februar 2014 nicht mehr in Erscheinung. Ehemalige prominente Politiker ließen sich aber weiter für die Ukraine einspannen, so in einem Beratergremium namens "Agentur zur Modernisierung der Ukraine", die hauptsächlich vom Oligarchen Dmytro Firtasch finanziert worden sein soll. Engagieren ließ sich für das stark umstrittene Projekt neben anderen deutschen Politikern auch Ex-EU-Kommissar Verheugen.