Russische Auslandssender Waffen im Informationskrieg
In den Debatten um Syrien oder den Fall Skripal wollen russische Medien wie RT als alternative Stimme wahrgenommen werden. Die Chefredakteurin sagt, Medien seien Waffen im "Informationskrieg".
Ob die Konflikte in der Ukraine und in Syrien, die Präsidentschaftswahl in Russland oder die Affäre Skripal - "Russia Today" (RT) als Flaggschiff der russischen Auslandsmedien berichtet genau das, was die Führung in Moskau der Welt mitteilen will.
Gegründet wurde "Russia Today" im Jahr 2005 als klassisches außenpolitisches Instrument - vom Staat finanziert: Es ging darum, das Image Russlands im Ausland zu verbessern. Damals hatte es in mehreren Nachbarländern Massenproteste gegeben, die teils zu Machtwechseln führten, darunter in Georgien, der Ukraine und in Kirgistan.
Die russische Führung sah eine Einflussnahme westlicher Staaten und wollte mit einer Medienoffensive etwas entgegensetzen. "Russia Today" startete mit einem englischsprachigen Programm, das später um Arabisch, Spanisch, Französisch und 2014 mit einer Website und einer TV-Sendung als "RT Deutsch" erweitert wurde.
"Informationskrieg gegen die westliche Welt"
Der Krieg 2008 in Georgien war ein Schlüsselmoment. Die russische Führung sah sich in den internationalen Medien zu wenig und falsch dargestellt. "Russia Today" führte einen "Informationskrieg" dagegen, wie Chefredakteurin Margarita Simonjan 2012 in einem Interview mit der russischen Zeitung Kommersant erklärte. Während das russische Verteidigungsministerium in Georgien gekämpft habe, habe sie mit ihren Kollegen den "Informationskrieg" gegen die ganze westliche Welt geführt.
Bei diesem und einem anderem Interview 2013 mit der Website lenta.ru sagte sie, so wie das Verteidigungsministerium in Friedenszeiten Waffen für Kriege bereithalte, müsse auch die Informationswaffe für Krisenzeiten bereitstehen. Als Ziel nannte sie, mehr Publikum durch die Bereitstellung alternativer Nachrichten zu finden: Wenn ein kritischer Moment komme, dann werde man bereits ein Publikum haben, dass sich bei RT über die "andere Seite der Wahrheit" informiere, "und natürlich werden wir das nutzen".
Manipulation als Kunst
Vladislav Surkow ist bekannt als "Chefideologe des Kreml" und derzeit persönlicher Berater von Präsident Wladimir Putin. Er beschrieb das alte Mittel der "Polittechnologie" zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung als eine Kunst, bei der die Manipulation unerkannt bleibt. Die Manipulierten sollen sich der Illusion hingeben, sie seien selbstständig zu ihrer Meinung gelangt. Möglich werde dies durch ästhetische und emotionale Suggestion, aber nicht auf der Ebene der Vernunft.
Die Umgestaltung von "Russia Today" ab 2008 kann in diesem Sinne verstanden werden: Der Sendername wurde zu RT verkürzt und damit seine Herkunft auf den ersten Blick weniger klar. Das Programm wurde professionalisiert und Muttersprachler eingestellt, so dass RT kaum noch von TV-Stationen wie CNN zu unterscheiden war.
Sputnik und Ruptly ergänzen das Angebot
2014 wurde als Ergänzung das Online-Nachrichtenportal Sputnik in 30 Sprachen etabliert. In Nachbarländern wie Georgien erlangte es Relevanz auch durch Berichte zu internationalen Themen, die in einheimischen Medien kaum abgebildet werden. Die 2012 gegründete Agentur "Ruptly" stellt Bildmaterial bereit, dies oft von Protestaktionen in westeuropäischen Staaten, die den Eindruck von Chaos vermitteln.
Am wenigsten als russisch zu erkennen, ist "In The Now", das als Talkshow begann und sich auf Inhalte für soziale Medien spezialisiert hat, die junge und wenig an Politik interessierte Menschen ansprechen. Geboten werden bunte, unterhaltsame Videos und daneben politische Stories, die Positionen der russischen Führung wiedergeben.
Hohes Gehalt und Bildschirmpräsenz
Jungen Journalisten aus Großbritannien oder den USA bot RT ein attraktives Angebot: Bereits am Anfang ihrer Karriere konnten sie bei üppigem Gehalt wichtige Aufgaben übernehmen und sich auf dem Bildschirm präsentieren. Das schrieb der russisch-britische Autor Peter Pomerantsew in einem Buch über seine Erfahrungen als Journalist in Russland.
Für viele Briten und Amerikaner habe der Umstand eine Rolle gespielt, dass nach der Finanzkrise und dem Irak-Krieg das Vertrauen in ihre eigenen Regierungen und Medien gelitten habe, betont er. Doch habe sich herausgestellt, dass inhaltliche Entscheidungen von den Produzenten im Hintergrund getroffen werden. Es sei nicht nur um die "russische Sichtweise", sondern auch um die Verbreitung von Lügen gegangen.
Der Brite William Dunbar berichtete, wie er im Krieg in Georgien ein russisches Bombardement auf Wohnhäuser verschweigen sollte und deshalb kündigte. Andere Journalisten erklärten vor laufender Kamera das Ende ihrer Mitarbeit.
Instrument der "Dark Power"
Je stärker die internationalen Spannungen in den vergangenen Jahren gewachsen sind, desto deutlicher wird, dass es RT nicht nur um die "russische Sichtweise" der Ereignisse geht. Der Westen solle mit einer aggressiven Berichterstattung untergraben und Probleme größer als real dargestellt werden, sagt der Experte Anton Shekhovtsov vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. RT sei kein Instrument der "Soft Power" mehr, man müsse vielmehr von "Dark Power" sprechen.
Nach der Präsidentschaftswahl im März beschrieb Chefredakteurin Simonjan ihr Selbstverständnis als Journalistin in einer Abfolge von Tweets. Über Putin schrieb sie: "Früher war er einfach unser Präsident und konnte abgelöst werden. Jetzt ist er unser großer Führer. Und wir lassen nicht zu, dass er abgelöst wird." Dem Westen warf sie vor, ihr Land umformen zu wollen.
Verschiedene deutsche Politiker geben "RT Deutsch" dennoch bereitwillig Interviews: von Sigmar Gabriel (SPD) über Oskar Lafontaine (Die Linke), Andrej Hunko (Die Linke) und Alexander Neu (Die Linke) bis hin zu Armin-Paul Hampel (AfD) und Alice Weidel (AfD). Experten wie der Mainzer Geograph Günter Meyer zitieren RT als Quelle.
USA erklärt RT zu "ausländischen Agenten"
In Großbritannien prüft die zuständige Aufsichtsbehörde Ofcom in sieben Fällen, ob RT bei der Berichterstattung über den Fall Skripal gegen Neutralitätsregeln verstoßen habe.
In den USA wurden RT und Sputnik zu "ausländischen Agenten" erklärt. Dies rief Kritik hervor: Einerseits kann die russische Regierung damit Maßnahmen gegen Auslandsmedien in ihrem Land rechtfertigen. Andererseits erhält RT mehr Aufmerksamkeit.
Über "RT Deutsch" sagte deren Moderatorin Jasmin Kosubek kürzlich in einem Interview, es handle sich nur um einen kleinen Kanal und die Debatten über den Sender machten "RT Deutsch" größer, als die Mitarbeiter es selbst vermocht hätten.