Bundestag streicht Paragraf 219a Werbeverbot für Abtreibungen abgeschafft
Paragraf 219a ist seit Jahren umkämpft, nun gehört er der Geschichte an. Der Bundestag beschloss die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen. Die Ampel sprach von einem "Triumph", Kritik kam von der Union.
Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag die Abschaffung von Paragraf 219a beschlossen. Er regelt bisher das Verbot, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Zugleich führte er aber bislang auch dazu, dass Ärztinnen und Ärzte keine ausführlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich anbieten können, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen.
Für die Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie die Linksfraktion. Union und AfD votierten dagegen.
Buschmann: "Aus der Zeit gefallen"
Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP nannte die Abschaffung überfällig. "Es ist höchste Zeit", sagte Buschmann in der abschließenden Debatte im Bundestag. Jede Verurteilung nach dem Strafrechtsparagrafen 219a sei "eine Verurteilung zu viel". Wenn eine Frau sich mit der schwierigen Frage eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs befasse, suche sie heutzutage "in aller Regel" zunächst im Internet nach Informationen, erläuterte Buschmann. Dort könne "jeder Troll und jeder Verschwörungstheoretiker" Dinge zu dem Thema verbreiten - hochqualifizierten Ärztinnen und Ärzten hingegen sei es verboten. "Das ist absurd, das ist aus der Zeit gefallen, das ist ungerecht und deshalb beenden wir diesen Zustand."
Bundesfamilienministerin Lisa Paus sprach von einem "Triumph". Auf diese Weise werde die Selbstbestimmung von Frauen in Deutschland gestärkt, sagte die Grünen-Politikerin. "Heute ist ein guter Tag für die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland - und erst recht für die Frauen in unserem Land." Ungewollt Schwangere könnten sich von nun an darauf verlassen, dass sie "sachkundig beraten und gut unterstützt werden", erklärte die Ministerin.
Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte der Nachrichtenagentur AFP, mit der Entscheidung werde "Geschichte geschrieben". Auch die frauenpolitische Sprecherin der schleswig-holsteinischen Landtagsfraktion der Grünen, Catharina Nies, begrüßt die Entscheidung. "Heute ist ein guter Tag für die Rechte von Frauen und die reproduktive Selbstbestimmung", so Nies.
"Konkrete Hilfe in sehr belastender Situation"
Die Hamburger Ärztekammer begrüßt die Entscheidung des Bundestags. Es gehe nicht darum, Werbung für Abtreibungen zu erlauben, betonte Ärztekammer-Präsident Pedram Emami, "sondern um konkrete Hilfe für Frauen in einer sehr belastenden Situation". Die Entscheidung helfe den Patientinnen, sich angemessen zu informieren, und den Ärztinnen und Ärzten, diese Information auch zur Verfügung zu stellen, hieß es.
Kritik von Union, AfD und Bischöfen
Scharfe Kritik kam aus der Unionsfraktion: Es gehe der Ampel-Koalition vor allem darum, "ein Erfolgserlebnis zusammen zu produzieren" aus Gründen der "Gruppendynamik", sagte die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU).
Zwar könne jeder die schwierige Lage einer ungewollt schwangeren Frau nachvollziehen. "Aber wir denken eben auch an das Lebensrecht des Kindes - und das ist der maßgebliche Unterschied, den ich sehe zwischen uns", sagte Winkelmeier-Becker an die Koalitionsfraktionen gerichtet. Die Streichung von 219a ermögliche "proaktive Werbung im Internet", warnte die CDU-Politikerin. Damit werde suggeriert, dass es bei einer Abtreibung "um eine ganz normale ärztliche Behandlung geht", was nicht der Fall sei.
Auch die AfD hält die Abschaffung für falsch und betont, dass sich Frauen auch jetzt schon ausführlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren könnten und dass die Rechte des ungeborenen Lebens nicht zu kurz kommen dürften.
Die katholische Kirche bedauerte die Entscheidung. Eine Überarbeitung des entsprechenden Gesetzesparagrafen 219a zur weiteren Verbesserung der Informationslage der Frauen wäre die bessere Lösung gewesen, teilte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, der Nachrichtenagentur dpa mit. "Diese Lösung hätte aus Sicht der Kirche sowohl den Interessen der Frauen als auch dem verfassungsrechtlich geforderten Schutz des ungeborenen Lebens gedient."
Hänel verfolgt Debatte auf der Besuchertribüne
Neben der Streichung sieht der Bundestagsbeschluss vor, dass Urteile gegen Ärztinnen und Ärzte, die seit 3. Oktober 1990 auf Basis des Paragrafen ergangen sind, aufgehoben werden. Das betrifft etwa die Gießener Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel, die 2017 auf der Grundlage von 219a verurteilt worden war und seit Jahren für die Abschaffung des Paragrafen kämpft. Sie saß zusammen mit anderen Ärztinnen und Ärzten im Bundestag auf der Besuchertribüne.