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Hintergrund

Einblicke in das Parteiprogramm Was die AfD will

Stand: 21.03.2016 16:09 Uhr

Ende April will die AfD ihr Parteiprogramm verabschieden. Einen durchgesickerten Entwurf haben die Verantwortlichen nun entschärft. Dennoch formuliert die Partei auf 80 Seiten erstaunliche Positionen: etwa zum CO2-Ausstoß und zur Erbschaftssteuer.

Von Marie-Kristin Boese, ARD Berlin

Islamkritisch, europakritisch, aber für die traditionelle Familie und mehr direkte Demokratie - so präsentiert sich die AfD in ihrem neuen Parteiprogramm.

Vor gut einer Woche hatte das Recherchezentrum "Correctiv" bereits einen Entwurf des AfD-Programms geleakt. Nun liegt der Leitantrag der zuständigen AfD-Programmkommission dem ARD-Hauptstadtstudio vor. Über ihn soll Ende April ein Parteitag beraten und abstimmen. Die Fassung ist zwar noch unredigiert, die Kernthemen aber werden klar. Auf 80 Seiten formuliert die AfD ihre Positionen.

Pro Bürgerentscheide

Das Thema "Demokratie" rückt die AfD ganz nach vorne. Doch deren Zustand findet sie offenbar erbärmlich. Von einem "politischen Kartell" ist im Leitantrag die Rede, von "Fehlentwicklungen", von einem "Eigenleben des Staatsapparats". Ihr Gegenmittel: mehr Macht für das Volk, also mehr direkte Demokratie in Form von Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild. Und: weniger Macht für die Parteien.

Diese würden den Staat ausbeuten und die Demokratie gefährden, meint die AfD. Sie will zudem den Bundestag verkleinern - von derzeit mehr als 600 auf 500 Parlamentarier. Abgeordnete sollen zudem nicht unbegrenzt wiedergewählt werden, sondern nur zwei bis vier Legislaturperioden, abhängig vom persönlichen Wahlergebnis.

Kontra EU

Die EU in ihrer jetzigen Form ist so etwas wie das Feindbild Nummer eins der AfD. Ein "undemokratisches Konstrukt". Die AfD will mehr Nationalstaat und weniger Brüssel. Kompetenzen müssten zurückgegeben werden.

Die EU solle zu "einer Wirtschafts- und Interessengemeinschaft souveräner, lose verbundener Einzelstaaten in ihrem ursprünglichen Sinne" werden. Außerdem soll das Volk über einen Verbleib im Euro abstimmen, wenn die EU "nicht unverzüglich zu den ursprünglichen Stabilitätsgrundsätzen des Euro zurückkehrt". Beitritte nichteuropäischer Staaten zur EU lehnt die AfD aus kulturellen und geografischen Gründen ab. Die Türkei soll bitte draußen bleiben.

Weniger Islam

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland", findet die AfD. Gleichzeitig bekenne sie sich "zur Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit". Wie passt das zusammen? Zumindest Muslimen will sie Schranken setzen. Minarette und Muezzinrufe sollen verboten werden. Verbieten will die AfD auch die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit und das Tragen eines Kopftuchs im öffentlichen Dienst. Im vom Recherchezentrum "Correctiv" geleakten Entwurf des AfD-Programms wurde auch ein Verbot der Beschneidung von Kindern gefordert. Das ist nun gestrichen.

Ein Mann beobachtet ein Minarett an der Centrum-Moschee in Hamburg. (September 2009)

Verabschieden will sich die AfD von Minaretten und Muezzinrufen.

Weniger Flüchtlinge

Von ihrem Nein zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin hat die AfD bei den vergangenen Landtagswahlen profitiert wie keine andere Partei. Die Asylpolitik findet sich im Programm aber erst erstaunlich weit hinten. Im zunächst durchgesickerten Entwurf war noch von einer Abschaffung des individuellen Asylrechts die Rede. Das wurde entschärft. Die AfD will unterscheiden zwischen politisch Verfolgten und (Kriegs-) Flüchtlingen einerseits und "irregulären Migranten". "Echte Flüchtlinge" sollen geschützt werden, solange die Fluchtursache in ihrer Heimat andauere.

"Irreguläre Migranten aber, die, anders als Flüchtlinge, nicht verfolgt werden, können keinen Flüchtlingsschutz beanspruchen", schreibt die AfD. Sie warnt vor der "Gefahr sozialer und religiöser Unruhen sowie eines schleichenden Erlöschens der europäischen Kulturen." Deutschland solle deshalb in den Herkunftsregionen, die als sichere Drittstaaten anerkannt sind, Aufnahmeeinrichtungen einrichten. Dort solle das Aufnahmeverfahren durchgeführt werden. Multikulti sei gescheitert. Statt "Masseneinwanderung" schlägt die AfD mehr Kinder vor.

Wer ist Familie?

Damit das mit den Kindern klappt, soll die traditionelle Familie aufgewertet werden - für die AfD sind Vater, Mutter und Kinder die "Keimzelle der Gesellschaft". Indirekt ermutigt sie Frauen, zuhause zu bleiben. Ein "falsch verstandener Feminismus" schätze "einseitig Frauen im Erwerbsleben". Traditionelle Geschlechterrollen, so scheint durch, findet die AfD gut. Sie wendet sich deshalb auch in den Schulen gegen eine angebliche "ideologische Beeinflussung", die das traditionelle Familienbild zerstöre. Über Homo- und Transsexualität würde die AfD Kinder wohl lieber nicht so genau aufklären lassen. Kinder dürften in der Schule nicht zum "Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden".

Weniger Steuern

Die AfD will das Steuerrecht reformieren. Sie fordert einen Einkommenssteuertarif mit wenigen Stufen. Das solle die Mittelschicht entlasten. Außerdem will sie - ähnlich der Schuldenbremse - eine Bremse für Steuern und Abgaben. Diese sollten nicht beliebig erhöht werden.

Außerdem will sie die Erbschaftssteuer abschaffen, was die Schere zwischen Arm und Reich allerdings vergrößern dürfte.

Wende in der Klima-und Energiepolitik

Die AfD zweifelt am Klimawandel. "Kohlendioxid ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens", schreibt die Partei. Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus." Eine Senkung der CO2-Emissionen schwäche dagegen den Wirtschaftsstandort.

Die AfD will das Erneuerbare Energien-Gesetz abschaffen. Den Ausstieg aus der Atomkraft findet sie "sachlich nicht begründet" und "wirtschaftlich schädlich". Die geplante Senkung der CO2-Emissionen um mehr als 85 Prozent schwäche dagegen die Wirtschaftskraft.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 20. März 2016 um 23:20 Uhr.