AfD nach Schleswig-Holstein-Wahl Gegenseitige Schuldzuweisungen
Zum ersten Mal ist die AfD wieder aus einem Landtag geflogen. Über die Gründe wird nun innerhalb der Partei heftig diskutiert - eine Rolle dürfte die ambivalente Haltung der AfD zu Russland gespielt haben.
Der Tag nach der Schleswig-Holstein Wahl beginnt für den AfD-Parteisprecher Tino Chrupalla chaotisch. Das um 10.15 Uhr angesetzte Pressegespräch wird erst verschoben, dann abgesagt, da der Spitzenkandidat laut AfD nicht rechtzeitig erscheinen konnte. Zum ARD-Interview kommt AfD-Chef Chrupalla dann mit einem anderen Landtagskandidaten aus Schleswig-Holstein. Volker Schnurrbusch, der das Wahlergebnis so kommentiert: "Das war eben eine Personenwahl für den Ministerpräsidenten. Und dadurch haben wir Wähler verloren."
Chrupalla ergänzt: "Programmatik, auch Personen, waren vielleicht nicht unterscheidbar in Schleswig-Holstein. Die AfD muss als Alternative auch wahrgenommen werden." Ein schlechtes Omen für die kommenden Wahlen, zum Beispiel am nächsten Sonntag in Nordrhein-Westfalen, will der AfD-Chef nicht sehen.
An der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert
Die Partei scheiterte in Schleswig-Holstein an der Fünf-Prozent-Hürde und fällt damit zum ersten Mal aus einem Landesparlament. Über die Gründe wird nun innerhalb der AfD diskutiert. Schleswig-Holsteins Spitzenkandidat, Jörg Nobis, sah gestern eine Teil-Verantwortung bei der Bundes-AfD: "Uns hat auch geschadet, würde ich sagen, unsere klare Haltung, keine schweren Waffen in die Ukraine zu liefern. Da wurde uns jetzt nachgesagt, wir wären Putin-Versteher oder zu russlandfreundlich."
Dem widerspricht Bundessprecher Chrupalla. Die wichtigen Themen seien laut Umfragen andere gewesen: "Das war Bildung, das war Energiesicherheit, hier geht's auch um die Inflation. Das waren die hauptausschlaggebenden Themen, die eine Rolle gespielt haben. Die internationale Politik hat eine untergeordnete Rolle gespielt."
Debatte um Neuausrichtung
Der Streit um den Umgang mit Russland und die Positionierung im Ukraine-Krieg scheint weiter zu schwelen. Insgesamt befeuert das schlechte Wahlergebnis die Debatte innerhalb der Partei um eine Neuausrichtung. So sagt Nobert Kleinwächter, AfD-Fraktionsvize im Bundestag, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die AfD müsse sich neu sortieren. Es brauche neue Themen und einen neuen Stil, um Wähler dauerhaft zu binden.
Die ambivalente Haltung der AfD zu Russland ist für den Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder mit ein Grund für die zurückgehende Attraktivität der AfD in westlichen Bundesländern. "Die Russlandperspektive funktioniert nach wie vor im Osten, sie ist im Westen eher schädlich", sagt er. "Und da die Landtagswahlen dieses Jahr im Westen stattfinden, sind Äußerungen, die putinfreundlich sind im Westen eher problematisch."
Abwärtsspirale vor allem im Westen
Insgesamt sieht Schroeder im jetzigen Wahlergebnis ein bundesweites Signal: die Abwärtsspirale der Partei ist seiner Ansicht nach vor allem im Westen erkennbar. Aber gleichzeitig müsse man sehen, dass damit noch lange nicht das Ende der AfD besiegelt sei. "Weil sie nach wie vor, trotz dieser schlechten Aufstellung, trotz fehlenden Spitzenpersonals, trotz nicht vorhandener Themen, die wirklich zünden, machen sie einen nach wie vor starken Befund im Wahlkampf und in den Wahlergebnissen."
Schroeder vermutet, dass die AfD am kommenden Sonntag den Einzug ins Landesparlament in Nordrhein-Westfalen wieder schaffen wird, aber mit schwächerem Ergebnis. Dort liegt die AfD laut aktuellen Umfragen bei sieben bis acht Prozent.