Ermittlungen zur Ahrtal-Flut Es gab Fehler, aber es fehlen die Beweise
Über zwei Jahre lang hatte die Staatsanwaltschaft ermittelt, jetzt ist klar: Eine Anklage soll nicht erhoben werden. So begründen die Ermittler ihre Entscheidung.
Worum ging es?
Im Juli 2021 starben bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 135 Menschen, Hunderte wurden verletzt, 9.000 Häuser wurden zerstört oder beschädigt. Drei Wochen nach der Flutkatastrophe leitete die Staatsanwaltschaft Koblenz ein Ermittlungsverfahren ein. Die Vorwürfe: fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung im Amt. Jeweils begangen durch "Unterlassen".
Die Ermittlungen richteten sich gegen den damaligen Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, und den Leiter der Technischen Einsatzleitung. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die Bevölkerung zu spät und unzureichend vor den Wassermassen gewarnt wurde und dass durch Fehlverhalten Menschen verletzt worden und zu Tode gekommen sind, begründete die Staatsanwaltschaft damals die Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Nun hat sie das Verfahren eingestellt.
Wie begründet die Staatsanwaltschaft ihre Entscheidung?
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft reichen die Ermittlungsergebnisse nicht aus für eine Anklage. Grundlage der Entscheidung waren mehrere Sachverständigengutachten. Ein Gutachter kam zum Ergebnis, dass es sich bei der Flut um eine extrem ungewöhnliche Naturkatastrophe gehandelt habe, deren Ausmaß niemand hätte vorhersehen können, auch der damalige Landrat und der Einsatzleiter nicht. Das wurde den beiden zugutegehalten.
Ansonsten ist die Staatsanwaltschaft durchaus der Meinung, dass der frühere Landrat Fehler gemacht hat und seiner Verantwortung nicht gerecht wurde. Er hatte sich nämlich damals aus dem Katastrophenmanagement völlig herausgezogen und die ganze Verantwortung der Technischen Einsatzleitung überlassen. Außerdem hätten der Landrat und auch der Einsatzleiter die Bevölkerung besser vor denkbaren Folgen der Flut warnen müssen.
Aber das reiche nicht aus für eine strafrechtliche Verurteilung. Ein ganz wesentlicher Punkt: Die Staatsanwaltschaft hätte nachweisen müssen, dass durch pflichtgemäßes, also korrektes Handeln auch wirklich Menschen hätten gerettet werden können. Diesen Nachweis könne man aber nicht führen.
Warum lässt sich das nicht hinreichend belegen?
Vorab: Die Staatsanwaltschaft klagt grundsätzlich nur dann jemanden an, wenn sie zum Schluss kommt, dass die Verurteilung eines Beschuldigten wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Dafür müsste sie hier im konkreten Fall den Nachweis erbringen, dass das Unterlassen von bestimmten Handlungen strafbar war. Und dass mit bestimmten Handlungen Menschenleben gerettet worden wären.
Für eine Verurteilung reicht es allerdings nicht aus zu sagen, dass die Opfer "möglicherweise" hätten gerettet werden können. Sondern man muss in jedem Einzelfall, bei jedem einzelnen Opfer prüfen, ob diese Person "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" noch leben würde, wenn korrekt gehandelt worden wäre. Und die Staatsanwaltschaft Koblenz meint, dass dieser Nachweis hier nicht möglich war.
Warum entscheidet die Staatsanwaltschaft und kein Gericht?
Für ein Ermittlungsverfahren ist immer die Staatsanwaltschaft zuständig. Sie ist verpflichtet, ein solches zu führen, wenn es Anhaltspunkte für eine Straftat gibt. Und sie ist verpflichtet, Anklage zu erheben, wenn sich diese Anhaltspunkte so verdichten, dass eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Ohne Anklage landet der Fall nicht vor Gericht.
Wenn es aus Sicht der Staatsanwaltschaft aber nicht reicht für eine spätere Verurteilung, dann stellt sie das Verfahren ein. Die Staatsanwaltschaft ist zur Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit verpflichtet. Darauf hat auch die Staatsanwaltschaft Koblenz heute noch einmal ausdrücklich hingewiesen. Sie muss immer alle Tatsachen ermitteln, egal ob sie für oder gegen die Schuld der Beschuldigten sprechen.
Können sich die Opfer gegen die Einstellung wehren?
Ja, das können sie. In einem ersten Schritt können sie eine Beschwerde einlegen. Über die müsste dann die Generalstaatsanwaltschaft entscheiden.
Sollte die Generalstaatsanwaltschaft die Beschwerde zurückweisen, könnten sie in einem zweiten Schritt einen Antrag ans zuständige Oberlandesgericht schicken. Dann würde das Gericht prüfen, ob die Staatsanwaltschaft korrekt entschieden hat oder nicht.
Wenn nicht, würde das Gericht die Staatsanwaltschaft anweisen, doch noch eine Anklage zu erheben. Das nennt man Klageerzwingungsverfahren.
Mehr zu diesem Thema sehen Sie in der ARD-Dokumentation "Die Flut - Chronik eines Versagens" in der ARD-Mediathek.