Sicherheitstests für deutsche AKW Prüfkatalog gegen Szenarien der Angst
Die 17 deutschen AKW werden einem "Stresstest" unterzogen. Umweltminister Röttgen sprach vom anspruchsvollsten Prüfkatalog weltweit. Grundlage der nun beschlossenen Sicherheitsprüfung sind verschiedene Szenarien wie Erdbeben, Stromausfall oder Terrorismus. Ein Überblick.
Mit einem langen Maßnahmenkatalog soll die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) bis Mitte Mai die 17 deutschen Atomkraftwerke umfassend überprüfen. Das kann für einzelne Anlagen das Aus bedeuten, falls als Ergebnis des Stresstests eine teure Nachrüstung notwendig werden sollte. Bis zu 100 Fachleute werden in den nächsten sechs Wochen die Ergebnisse zu jedem AKW erarbeiten. Bundesumweltminister Norbert Röttgen sprach vom bisher anspruchsvollsten Prüfkatalog weltweit. Der darauf aufbauende Bericht der Reaktor-Sicherheitskommission solle dann die maßgebliche Grundlage für die gesellschaftliche und politische Bewertung der Sicherheit der Atomenergie sein.
Ziel der Sicherheitsmaßnahmen an den AKW muss sein, unter allen Umständen die Freisetzung des hochradioaktiven Materials zu verhindern. Untersucht wird jeweils die gesamte Reaktoranlage einschließlich der Lagerbecken für Brennelemente. Der Stresstest für AKW sieht folgende Untersuchungen vor:
Grundsätzliche Kriterien
1. Geprüft wird, ob die Kühlung der Brennelemente sowohl im Reaktordruckbehälter als auch im Brennelementlagerbecken bei bisher nicht zu erwartenden Ereignissen eingehalten werden kann und ob die Freisetzung radioaktiver Stoffe begrenzt werden könnte.
2. Geprüft werden Reaktionsmöglichkeiten, wenn die Kühlung der Brennelemente sowohl im Reaktordruckbehälter als auch im Abklingbecken ausfällt, es keinen Strom gibt oder eingetretene massive Brennelementschäden bis zur Kernschmelze führen.
3. Geprüft werden die Notstromversorgung, Personalverfügbarkeit in Notfällen, Wasserstoffbildung und Explosionsgefahr und was passiert, wenn das AKW wegen zu hoher Strahlenbelastung nicht mehr betreten werden kann.
Gefahr: Erdbeben
4. Geprüft werden die AKW-Standorte auf ihre Erdbebensicherheit und ob die Erhaltung der Funktionen bei einem besonders starken Erdbeben gewährleistet sind.
5. Geprüft werden mögliche Folgeschäden von Erdbeben, wie beispielsweise Anstieg beziehungsweise Absinken des Flusspegels, Brand, Kühlmittelverlust, Überflutung, Zerstörung der Infrastruktur, Beeinträchtigung der Personalverfügbarkeit.
Gefahr: Hochwasser
6. Geprüft werden potenzielle Schäden in den Atomkraftwerken durch bisher nicht einkalkuliertes Hochwasser - zum Beispiel wegen Staudammbrüchen, extremer Sturmflut, Tsunamis oder den Auswirkungen von Treibgut. Dabei soll die mögliche Zerstörung der Infrastruktur und fehlendes Personal berücksichtigt werden.
7. Geprüft werden zudem die Auswirkungen von Hochwasser auf Notfallmaßnahmen bei Überschreitung der in der AKW-Auslegung vorgesehenen Wasserhöhe.
Gefahr: Terrorismus
8. Geprüft werden die Erhaltung der Funktionen beim Absturz eines Verkehrs- oder Militärflugzeugs. Dabei sollen unterschiedliche Absturzszenarien berechnet werden, je nach Flugzeugtyp, Geschwindigkeit, Beladung oder Aufprallort. Geprüft werden in diesem Zusammenhang "bauliche Reserven" beim Einschlag eines Flugzeugs - also eine Überprüfung, ob die Betonhüllen dick genug sind, Auswirkungen eines Kerosinbrandes, und die Wirksamkeit einer räumlichen Trennung - beispielsweise zwischen Reaktorkontrollraum und Reaktor - und die Folgen eines radioaktiven Lecks nach einem Absturz.
9. Geprüft werden Erfolgschancen für einen möglichen Angriff von außen auf die Computer der deutschen Atomkraftwerke.
Gefahr: Stromausfall
10. Geprüft werden die Folgen eines stationären Blackouts von mehr als zwei Stunden mit Blick auf die Batteriekapazitäten.
11. Geprüft werden die Folgen einer notwendigen langen Versorgung per Notstrom von mehr als 72 Stunden im Hinblick auf die Dieselversorgung (Kraftstoff, Öl, Kühlwasser), die Möglichkeiten einer Reparatur oder des Ersatzes von Dieselaggregaten durch alternative Notstromversorgung (Gasturbine, Wasserkraftwerk) und die Folgen eines Ausfalls der Nebenkühlwasserversorgung im Hinblick auf andere Kühlmöglichkeiten wie beispielsweise eine Brunnenkühlung.