Der Koalitions-Kompromiss im Detail Welche Maßnahmen gehören zum Asylpaket II?
Mit dem neuen Asylpaket will die Bundesregierung das Aufenthalts- und Asylrecht verschärfen. Betroffen sind vor allem abgelehnte Asylbewerber und Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive. tagesschau.de zeigt die vorgesehenen Änderungen im Überblick.
Besondere Aufnahmeeinrichtungen
Kern des Pakets sind spezielle Zentren, von denen bundesweit drei bis fünf entstehen sollen. Bisher wurden zwei Standorte in Bayern - Bamberg und Manching - festgelegt. Auf die Aufnahmeeinrichtungen hatten sich die Parteichefs bereits im November als Kompromiss im Streit um die von der Union geforderten Transitzonen verständigt.
Beschleunigte Asylverfahren
In den Zentren sollen Gruppen von Asylbewerbern mit geringer Erfolgsaussicht Schnellverfahren durchlaufen. Dazu gehören Menschen aus Staaten, die als "sicher" definiert wurden sowie Flüchtlinge mit Wiedereinreisesperren oder Folgeanträgen. Aber auch Asylsuchende, die keine Bereitschaft zur Mitwirkung zeigen, falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht oder Dokumente mutwillig vernichtet haben, sollen darunter fallen. Die Gründung der Zentren hat das Ziel, abgelehnte Antragsteller zügig wieder in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken.
Sichere Herkunftsstaaten
Marokko, Tunesien und Algerien sollen darüber hinaus zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Die Asylverfahren für Personen aus diesen Ländern würden dadurch beschleunigt. Die Einstufung setzt voraus, dass in den betroffenen Staaten aufgrund der politischen Verhältnisse, der Rechtslage und Rechtsanwendung keine unmenschliche Behandlung stattfindet. Nach Auffassung der Bundesregierung erfüllen Marokko, Tunesien und Algerien diese Kriterien.
Die Einstufung dieser drei Länder wurde aber gezielt aus dem Asylpaket II ausgeklammert: Da Abschiebung Ländersache ist, muss das Thema durch den Bundesrat. Hätte man es ins Asylpaket gepackt, hätte es im Ganzen den Bundesrat passieren müssen. Dort haben Unionsparteien und SPD aber keine Mehrheit.
Familiennachzug
Über den Familiennachzug gab es viel Streit in der Koalition. Das Asylpaket sieht vor, dass Flüchtlinge mit einem sogenannten subsidiären Schutzstatus für zwei Jahre keine Familienangehörigen nachholen dürfen. Diesen Schutz erhalten Personen, die nicht unmittelbar persönlich verfolgt sind und deshalb weder nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch nach dem Asylrecht anerkannt werden, deren Leben im Heimatland aber dennoch bedroht ist. Darunter fällt ein Teil der syrischen Flüchtlinge.
Einen eingeschränkten Status - "subsidiären Schutz" - erhalten dagegen Menschen, die nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention oder das deutsche Grundrecht auf Asyl fallen. Sie müssen zwar nicht in die Heimat zurück, etwa weil ihnen dort Todesstrafe oder Folter drohen oder Bürgerkrieg herrscht. Anders als Menschen mit Asyl- oder Flüchtlingsstatus bekommen sie aber zunächst nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die verlängert werden kann.
Artikel 22 und 23 des Aufenthaltsgesetzes sehen bereits vor, dass beim Familiennachzug humanitäre Ausnahmen möglich sind. Die Kabinettsfassung des Asylpakets II verweist eigens darauf, dass die entsprechenden Paragrafen auch künftig gelten. Für allein ins Land gekommene Kinder und Jugendliche sollen Einzelfallprüfungen besondere Härten abfedern. Aufgrund dieser Härtefallklausel sollen die Eltern von Minderjährigen mit subsidiärem Schutz auch künftig bei "dringenden humanitären Gründen" aufgenommen werden können. Für solche Bewilligungen ist das Auswärtige Amt im Rahmen der Visumsvergabe zuständig. Es soll künftig zusammen mit dem Innenministerium über Härtefälle entscheiden. Humanitäre Gründe für den Nachzug der Eltern können laut Justizminister Heiko Maas schwere Erkrankungen, erlittene Misshandlungen des Minderjährigen oder auch der Tod naher Angehöriger sein.
Für den Nachzug von Angehörigen sollen andere Wege geöffnet werden. So sollen zum Beispiel syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jordanien, dem Libanon oder der Türkei über Kontingente nach Deutschland geholt werden. Kontingentvereinbarungen gibt es bisher aber noch nicht. Vereinbart ist bislang, 160.000 Flüchtlinge zu verteilen, was in der Praxis allerdings stockt. 20.000 davon sollen aus den Nachbarstaaten Syriens geholt werden.
Für die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge gilt weiterhin die Genfer Flüchtlingskonvention. Sie sind vom begrenzten Familiennachzug nicht betroffen.
Schutz vor sexuellem Missbrauch
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, kritisierte, es gebe keinen ausreichenden Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt in Flüchtlingsunterkünften. Das Asylpaket II setze die Vorgaben der EU-Aufnahmerichtlinien von 2013 nicht um, die geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von sexuellen Übergriffen und Belästigungen fordere. Von der EU habe die Bundesregierung deshalb einen "blauen Brief" erhalten. Im Asylpaket II fehlte ausreichender Schutz von Müttern und Kindern - etwa durch eine getrennte Unterbringung.
Im Asylpaket II ist nur vorgesehen, dass Beschäftigte in Flüchtlingseinrichtungen ein erweitertes Führungszeugnis vorweisen müssen. Doch das alleine reiche als Schutz nicht aus. Das Problem sexueller Gewalt gegen Kinder sei in Flüchtlingsunterkünften traurige Realität, erklärte der Missbrauchsbeauftragte Rörig. Seinem Büro würden "fast jede Woche" Fälle von Übergriffen in Flüchtlingsunterkünften gemeldet, berichtete er. Täter seien sowohl Helfer und Wachpersonal, als auch Flüchtlinge.
Schärfere Regeln bei der Abschiebung Kranker
Generell sollen Abschiebungen erleichtert werden. Abschiebungen scheitern meist daran, dass die Ausgewiesenen einen bedenklichen Gesundheitszustand nachweisen. Künftig soll davon nur noch verschont werden, wer eine besonders schwere Krankheit nach strengeren Attest-Vorgaben belegen kann. Werden diese nicht fristgerecht eingereicht, sollen sie nicht mehr berücksichtigt werden.
Sicherer Aufenthaltsstatus in der Ausbildung
Asylbewerber, die eine Ausbildung machen, bekommen einen vorerst gesicherten Aufenthaltsstatus. Er garantiert, dass sie die Ausbildung abschließen und danach zwei Jahre arbeiten können. Bislang war die Regel, dass Flüchtlinge für die Dauer der Ausbildung von der zuständigen Behörde eine Verlängerung ihres Aufenthaltstitels bekommen sollten. Einen Rechtsanspruch darauf hatten sie aber nicht.
Eigenbeteiligung an Integrationskursen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble setzte die Forderung durch, das Flüchtlinge sich finanziell an den Kosten für Integrationskurse beteiligen. Dafür sollen von den Asylbewerberleistungen, die unterhalb des ALG-II-Niveaus liegen, zehn Euro pro Monat abgezogen werden.
Wie sieht der Zeitplan für das Asylpaket II aus?
Geplant ist die erste Lesung im Bundestag am Freitag, den 19. Februar, abgestimmt werden soll am 25. Februar. Einen Tag später könnte sich der Bundesrat damit beschäftigen. Allerdings muss die Länderkammer nicht zustimmen.